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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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ausgeraubt worden, den er zu Lebzeiten gejagt hatte.
    Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er betrachtete den Jungen und fragte: »Habt ihr ihn etwa gefleddert, Davey?«
    Davey zuckte zusammen und entgegnete dann entrüstet: »Nein, wir haben ihn nicht angerührt, Mr. ’Awkwood. Bestimmt nicht.«
    Hawkwood packte den Jungen am Arm. »Sag mir die Wahrheit, Davey. Das ist sehr wichtig.«
    Davey schüttelte heftig den Kopf. »Bei Gott, ich schwör’s, Mr. ’Awkwood.«
    Hawkwood sah dem Jungen an, dass er die Wahrheit sprach. »Und habt ihr vielleicht etwas gesehen?«
    Wieder schüttelte Davey den Kopf. »Tut mir Leid, Mr. ’Awkwood. Wir haben ihn nur gefunden. Ned hat ihn entdeckt«, sagte er und deutete auf seinen Freund.
    »Hast du sonst noch jemandem von der Leiche erzählt?«
    »Nöö. Wir machen doch nur mit Ihnen Geschäfte.«
    Hawkwood runzelte die Stirn. »Woher hast du gewusst, wo du mich finden kannst?«
    »Hab’s nicht gewusst«, beteuerte Davey und zuckte mit den Schultern. »Ich hab Dandy zum Black Lion und Teaser in die Bow Street geschickt, weil ich mir dachte, früher oder später werden Sie schon auftauchen.«
    Eine logische Schlussfolgerung, dachte Hawkwood. Dandy und Teaser gehören wohl zu Daveys Bande. Er fischte eine Münze aus seiner Rocktasche und gab sie dem Jungen. »Du hast das Richtige getan, Davey. Dafür bin ich dir dankbar.«
    Während Davey mit den Zähnen die Echtheit der Münze prüfte, warf Hawkwood einen letzten Blick auf den toten Runner. Ich muss zwar dringend mit Jago Kontakt aufnehmen, dachte er, aber dies hier hat jetzt Vorrang. Der Exsergeant muss noch eine Weile auf meinen Besuch warten.
     
    Der Oberste Richter sah den stämmigen Mann, der vor ihm stand, erwartungsvoll an. »Nun?«
    In einer pathetischen Geste spreizte der Angesprochene die Hände und verkündete: »Sir, die Bestimmung des genauen Todeszeitpunkts kann bisher unter dem Gesichtspunkt exakter wissenschaftlicher Kriterien nicht vorgenommen werden.«
    James Read stieß einen verzweifelten Seufzer aus. »Schon gut, Doktor. Dann möchte ich Ihre gelehrte Meinung dazu hören …«
    »Ein halber Tag, vielleicht. Höchstens vierundzwanzig Stunden«, antwortete der kräftige Mann, zog ein seidenes Taschentuch aus seinem Ärmel und wischte sich damit über die Stirn.
    Der Oberste Richter presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, ehe er fragte: »Und die Todesursache?«
    Das Taschentuch verschwand wieder im Ärmel. »Ah, daran besteht kein Zweifel. Fraktur des Craniums. Der Okzipitalknochen …«
    James Read wedelte ungeduldig mit der Hand. »In einer mir verständlichen Ausdrucksweise, bitte, Dr. McGregor.«
    »Das heißt«, mischte sich Hawkwood ein, »der arme Kerl wurde erschlagen.«
    Dr. McGregor zuckte zusammen. Der beleibte Arzt, der vom Coroner mit der Untersuchung des toten Runners beauftragt worden war, nahm seine eigene Person derart wichtig und war es deshalb nicht gewohnt, bei seinen Ausführungen weder vom Obersten Richter noch von dessen Untergebenen unterbrochen zu werden. Ein Netz roter Äderchen auf Nase und Wangen deutete darauf hin, dass sein Dünkel wahrscheinlich nur von seiner Vorliebe für Portwein übertroffen wurde.
    »Präzise ausgedrückt«, wies er Hawkwood zurecht und starrte ihn böse an, »hat meine Untersuchung ergeben, dass der Schädel durchbohrt und nicht durch einen Schlag zertrümmert wurde.«
    »Jedenfalls ist er daran gestorben«, konstatierte Hawkwood, der keinen Sinn für Spitzfindigkeiten hatte.
    »Nun, ja«, bestätigte McGregor und rümpfte verächtlich die Nase, ehe er hinzufügte: »Letztendlich tat er das.«
    Der Oberste Richter hob abrupt den Kopf. »Was meinen Sie damit?«
    Der Arzt richtete sich zu voller Größe auf. »Der Zustand der Leiche und der Kleidung lässt keinen Zweifel daran, dass der Mann längere Zeit im Wasser gelegen hat. Eine Untersuchung der Lungen hat jedoch ergeben, dass er nicht ertrunken ist, sondern, wie ich bereits erklärt habe, durch einen Schlag auf den Kopf getötet wurde. Und die Tatsache, dass die Leiche oberhalb der Hochwassermarkierung gefunden wurde, verleiht meiner persönlichen Theorie größte Glaubwürdigkeit.«
    »Und wie lautet diese Theorie?«, erkundigte sich James Read stirnrunzelnd.
    »Ich glaube, der Doktor will uns sagen«, mischte sich Hawkwood wieder ein, »dass der Schlag wahrscheinlich nicht sofort tödlich war. Mit anderen Worten, nach dem Schlag auf den Kopf ist Warlock in den Fluss gefallen, oder er wurde

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