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Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Titel: Der rauchblaue Fluss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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Nebel war dicht, trieb aber rasch dahin und bildete so viele Wirbel und Strömungen, dass es war, als hätte sich der Fluss selbst in einen wogenden, reißenden Strom aus Rauch verwandelt.
    Bahram schloss die Augen und legte die Wange an den Nacken der Frau, und wieder schwebte er schwerelos im Nebel. Er ließ sich dahintreiben auf dem Fluss aus Rauch, und als sein Schlummer jäh endete, bemerkte er erstaunt, dass seine Arme leer waren und die Frau verschwunden war.
    »Mister Barry! Mister Barry! Wir komm Jackass Point.« Allow stand mit einer Laterne in der Hand vor ihm und grinste schelmisch, als Bahram sich auf dem Diwan regte. »Mister Barry mag?«
    Bahram nickte. »Ja«, sagte er schroff. »Mag.« Er setzte sich auf und nestelte an seinem choga. Der Tau hatte sich schwer auf seine Kleider gelegt, alles war feucht und roch schwach nach dem Fluss. Er legte sich den choga um und band die Kordel seiner Hose. Als er nach den Bändern seines angarkha griff, streifte seine Hand die Innentasche, in der er sein Geld aufbewahrte. Sie war feucht, aber ihr Gewicht sagte ihm, dass sie noch mit Münzen gefüllt war – fast hatte er damit gerechnet, sie leer zu finden. Dass sie unberührt war, überraschte ihn; es hätte ihm nichts ausgemacht, wenn die Frau das Silber genommen hätte, schließlich hatte er ihr ein cumshaw versprochen und hätte ihr mit Freuden sein ganzes Geld gegeben.
    Bahram sah zu Allow auf: »Wohin Girlie geh? Allow kann ruf?«
    »Ruf wen, Mister Barry?«
    »Das-Stück Girlie. Allow schick, nein?«
    Ein verwirrter Ausdruck trat in Allows Augen.
    »Allow nix schick Sing-song-girlie. Mister Barry sag, nix woll Girlie. Ist böse mit Allow, nein?«
    »Nein, aber Allow schick, nein?«
    Allow schüttelte beharrlich den Kopf. »Nein, Allow nix schick.«
    Bahram legte Allow die Hände auf die Schultern und schüttelte ihn leicht. »Hör zu: Mister Barry nix böse mit Allow. Mister Barry so viel glücklich, weil Allow schick das-Stück Sing-song-girlie. Mister Barry nur woll wiss: Wer ist? Wie heißt? Mister Barry woll geb cumshaw.«
    Allows stupsnasiges Gesicht verzog sich zu einem breiten Lächeln.
    »Mister Barry seh Rauch-Traum«, sagte er mit einem verschmitzten Grinsen. »Opiumpfeife bring Mister Barry Sing-song-girlie.«
    Bahram ließ Allow los und sank in die Kissen zurück. Sein Kopf war noch vom Opium vernebelt, und er konnte nicht richtig denken. Vielleicht hatte Allow recht, vielleicht war es nur das gewesen: ein von der Pfeife heraufbeschworener Opiumtraum. Das hätte erklärt, warum er das Gesicht der Frau nicht gesehen hatte, und auch, warum alles so vollkommen gewesen war wie die imaginären nächtlichen Paarungen seiner Jugend.
    »Allow sprech wahr? Nix schick Girlie?«
    »Wahr, wahr«, antwortete Allow heftig nickend. »Nix schick Girlie. Mister Barry schau-seh Traum. Mister Barry schlaf all Zeit, nach Pfeife bis Jackass Point.« Er zeigte auf den Landungssteg, der durch die wabernden Rauchstrudel gerade noch zu sehen war.
    Bahram zuckte mit den Schultern. »Ist gut, Allow«, sagte er. »Mister Barry jetzt zu Achha Hong.«
    Allow nickte und verneigte sich. »Allow bring Mister Barry.«
    Bahram schlüpfte in seine Schuhe und erhob sich. Doch mit dem ersten Schritt trat er in eine Pfütze, rutschte aus und wäre gestürzt, hätte Allow ihn nicht aufgefangen.
    »Woher komm Wasser? Nix Regen.«
    Bahram schaute nach unten und sah nicht nur die eine Pfütze auf dem Deck, sondern mehrere: Eine nasse Spur zog sich von der Flussseite des Decks bis zu dem Diwan.
    Auch Allow hatte die Pfützen gesehen, jede eine Schrittlänge von der nächsten entfernt. Einen Moment lang nahm sein Gesicht einen ängstlichen, unmutigen Ausdruck an. Er fasste sich jedoch rasch wieder und sagte: »Ist nix, Mister Barry. Komm von Nebel. Passier all Zeit.«
    »Aber Nebel kann nix mach Pfütze.«
    »Kann. Kann. Komm, jetzt wir geh. So viel spät.«
    Bahram folgte Allow die Planke hinunter und über den Landungssteg. Der Maidan war menschenleer und nebelverhangen. In der Reihe der Faktoreien war der Achha Hong der einzige, in dem noch viele Lichter brannten. Vico und die anderen machten sich bestimmt schon Sorgen, wo er blieb, dachte Bahram.
    Sie hatten den Maidan zur Hälfte überquert, als Allow noch einmal auf das Thema Opium zurückkam: »Mister Barry woll mach Ladung mit Allow? Wie wir sprech ander Tag? Noch kann mach, wenn Mister Barry woll.«
    Bahram hatte schon die ganze Zeit so etwas erwartet. Wäre ihm das Geschäft vor

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