Der rauchblaue Fluss (German Edition)
Pflanze für eine botanische Sammlung zu erwerben.
Was sie zahlen würden, wollte er daraufhin wissen, und ich sagte, sie beabsichtigten einen Tausch vorzuschlagen, denn sie hätten eine umfangreiche Sammlung botanischer Neuheiten aus Amerika mitgebracht.
Jetzt trat ein Glitzern in seine Augen, und er begann sich mit den Fingernägeln in der Handfläche zu kratzen, als wollte er das Jucken der Sammelleidenschaft lindern. »Was für Pflanzen? Haben Sie welche dabei?«
Nein, sagte ich, die Pflanzen befänden sich an Bord eines Schiffes, das vor Hongkong auf Reede liege.
»Was nützt mir das? Wie soll ich wissen, ob sich ein Tausch lohnt? Diese Kamelien sind ungeheuer selten, man findet sie nur an den entlegensten Stellen. Ich bin kein Mann, der auf die Launen des Zufalls vertraut, Mr. Chinnery. Ich muss die angebotene Ware sehen.«
Was war zu tun? Einen Moment lang war ich ratlos, dann kam mir eine Idee. »Meine Freunde, Sir«, sagte ich, »könnten mir Abbildungen schicken. Einer von ihnen ist ein begabter Zeichner.«
Er überlegte kurz und sagte dann, ja, das sei in Ordnung, sofern ich ihm die Bilder bald zeigen könne, denn es werde einige Zeit dauern, die Goldkamelien von den Bergen, wo sie wüchsen, nach Kanton zu bringen.
»Ich werde ihnen umgehend schreiben«, versprach ich. »Und ich habe keine Zweifel, dass ich Ihnen die Abbildungen innerhalb einer Woche werde zeigen können.«
Er begann nun unruhig zu werden, woraus ich schloss, dass das Gespräch beendet war. Ich machte Anstalten, mich zu erheben, doch er hielt mich zurück, indem er einen seiner langen Fingernägel nach mir ausstreckte. »Eine Frage noch, Mr. Chinnery«, sagte er. »Dieser Freund von ihnen, der Besitzer des Bildes – kann es sein, dass sein Name Penrose ist? Seinen Vornamen habe ich vergessen, aber ich glaube, er wurde ›Fitcher‹ genannt.«
Kannst Du Dir meine Überraschung vorstellen, liebe Paggli? Während der ganzen Dauer des Gesprächs, das versichere ich Dir, hatte ich nicht ein einziges Mal Mr. Penroses Namen ausgesprochen. Wie konnte Lynchong wissen, dass Mr. Penrose der Besitzer eines Bildes ist, das um die halbe Welt gereist ist?
Aber ganz offensichtlich wusste er es.
»Ja, Sir«, sagte ich, »der Besitzer ist in der Tat Mr. Penrose.«
»Ich erinnere mich gut an ihn – er hat ein Gesicht wie ein Pockenarzt, der alte Fitcher Penrose, finden Sie nicht?«
»Sie kennen ihn, Sir?«
»Allerdings«, lautete die Antwort. »Und er kennt mich. Wenn Sie ihm schreiben, richten Sie ihm bitte die ehrerbietigsten salaams von Ah Fey aus. Dann weiß er schon, woher der Wind weht.«
So ist das also, Paggli: Lynchong oder Mr. Chan oder wie immer man ihn nennen möchte, hat Mr. Penroses Kamelien nicht zum ersten Mal gesehen, denn er ist kein anderer als Ah Fey, der Gärtner, der William Kerrs Sammlung nach London gebracht hat!
Vielleicht, meine liebe Lady Pagglesbridge, verstehst Du jetzt, weshalb ich vor Neugier auf diesen Mann brenne . Hab also Erbarmen mit mir und schick mir so rasch wie irgend möglich Bilder von Deinen besten Pflanzen – ich kann es kaum erwarten, meine Bekanntschaft mit Mr. Chan zu erneuern.
Wie eine straff geführte Großfamilie unterlag auch Bahrams Handelsniederlassung einem festen, unverrückbaren Rhythmus. Deshalb geriet Nil für einen Moment aus dem Takt, als Vico, der Dirigent dieser komplizierten Sinfonie, ankündigte, dass er einige Tage nicht da sein werde.
»Sie werden sich um Patrão kümmern müssen, solange ich weg bin«, sagte der Zahlmeister mit einem breiten Grinsen. »Keine Sorge, das schaffen Sie schon.«
»Wo wollen Sie hin?«
»Zur Anahita , ich habe da etwas zu erledigen.«
»Liegt die nicht bei den äußeren Inseln vor Anker?«
»Ja.« Vico nahm seine Tasche. »Ich werde in Amunghoy oder Chuenpee ein Boot mieten müssen.«
Erst als Vico abgereist war, begriff Nil, wie wichtig der Zahlmeister für den Gang von Bahrams Geschäften war. Als Oberhaupt der Firma war der Seth mehr Admiral als Kapitän, den Blick auf den fernen Horizont, das Augenmerk auf langfristige Strategien gerichtet. Vico war es, der das Flaggschiff befehligte, und kaum nahm er seine stabilisierende Hand vom Steuer, verlor das Schiff seine Trimmung. Die »Messe« – ein verrauchter, aber gut geheizter Teil der Küche, in dem die zwei Dutzend Bediensteten ihre Mahlzeiten einnahmen – wurde nicht mehr anständig sauber gemacht, das Essen wurde nicht mehr zu den gewohnten Zeiten aufgetragen, die Lampen in den
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