Der rauchblaue Fluss (German Edition)
heraufgestürmt kam, die seine Wohnung mit seinem Lagerraum verband. Er war unrasiert, und sein Jackett und die Breeches sahen aus, als hätte er sie seit Tagen nicht gewechselt. Er blickte Bahram finster an und sagte ohne weitere Einleitung: »Sie haben den Zaster hoffentlich dabei, Mr. Moddie.«
»Natürlich, Mr. Innes, Sie bekommen das Geld, sobald die Ware geliefert ist.«
»Keine Sorge, die ist schon auf dem Weg«, sagte Innes.
»Sind Sie sicher? Ist alles in Ordnung?«
»Selbstverständlich. Die Lieferung ist angewiesen und trifft mit Sicherheit ein.« Innes steckte sich eine Sumatrazigarre zwischen die Lippen und hielt ein brennendes Streichholz daran. »Die Flut kommt, sie müsste also jeden Moment hier sein.«
In Bahram regte sich Sympathie für Innes; das primitive Selbstbewusstsein des Mannes hatte etwas Ermutigendes. »Sie sind ja bester Stimmung, Mr. Innes«, sagte er. »Freut mich zu sehen.«
»Ich bin nur das Werkzeug eines höheren Willens, Mr. Moddie.«
Plötzlich rief Innes’ Diener von unten herauf: »Schiff! Schiff ahoi!«
»Das werden sie sein«, sagte Innes. »Ich gehe besser runter und kümmere mich um das Löschen der Ladung. Sie können auf dem Balkon warten, Mr. Moddie – wenn Ihnen der Gestank nichts ausmacht. Von hier oben haben Sie alles gut im Blick.«
»Wie Sie wünschen, Mr. Innes.« Bahram öffnete die Balkontür und trat hinaus.
Mit steigender Flut hatte sich der nullah aufgefüllt und führte jetzt so viel Wasser, dass ein Boot ohne Weiteres vor Innes’ Lagerraum anlegen konnte. Bahram sah Innes und seinen Diener auf dem Kai stehen und mit gereckten Hälsen den Flussarm hinunterschauen. Er blickte in dieselbe Richtung und sah ein Boot vom Perlfluss her langsam herankommen, vorbei am Büro des Hoppo: ein von einer Laskarenmannschaft geruderter und von zwei Einheimischen geführter Kutter.
Selbst bei Flut war der Flussarm so schmal, dass der Kutter nur quälend langsam vorwärtskam – zumindest schien es Bahram so. Schweiß tropfte von seiner Stirn, und als das Boot endlich anlegte, stieß er einen tiefen Seufzer aus und wischte sich mit dem Ende seines Turbans übers Gesicht.
»Sehen Sie, Mr. Moddie?«
Innes stand breitbeinig auf dem Dock und paffte triumphierend seine Zigarre. »Was hab ich Ihnen gesagt? Alles wohlbehalten angekommen. Beweist das nicht, dass es so vorherbestimmt war?«
Bahram lächelte. Das Manöver hatte sich gelohnt; alles in allem war es erstaunlich einfach gewesen, die Sache zu arrangieren – dazu noch mit so geringem Risiko und ohne dass das Opium überhaupt in seinen Hong gelangte oder sein Lager passierte. Jetzt bedauerte er nur, dass er nicht noch mehr Kisten geordert hatte.
Er hob die Hand und gratulierte Innes. »Sahbash, Mr. Innes – gut gemacht!«
Es kam nicht oft vor, dass Nil den Vormittag für sich allein hatte, und er wusste genau, wie er ihn nutzen würde. Seit Längerem war er nicht mehr auf Asha-didis Küchenboot gewesen, und schon beim bloßen Gedanken daran lief ihm das Wasser im Mund zusammen.
Das Lokal war eine Institution unter den Achhas in Kanton. Ein Besuch dort war geradezu Pflicht für die zahllosen Sepoys, Serangs, Laskaren, Shroffs, Mutsaddis, Gumashtas, Munshis und Dubashes, die in die Stadt kamen. Das war deshalb so, weil es auf der gesamten Länge des Perlflusses das einzige Restaurant war, in dem sich ein Achha ungetrübten Essgenüssen hingeben konnte, weil er wusste, dass die Speisen weder Rind- oder Schweinefleisch enthielten noch Teile irgendwelcher Geschöpfe, die bellten, miauten, glitschig waren oder in den Baumkronen zwitscherten. Lamm, Huhn, Ente und Fisch waren die einzigen toten Tiere, die es dort gab. Zudem wurde alles auf beruhigend gewohnte Art zubereitet, mit richtigen masalas und erkennbaren Ölen, und der Reis war niemals fremdartig weich und klebrig. Serviert wurden gewöhnlich ein biryani, ein Fisch-pulao, daals, grüne bhaajis, ein Hühnercurry und in der tawa gebratener Fisch. Ab und zu – und das waren wahre Festtage – gab es auch pakoras und puris. Auch vegetarische Gerichte bekam man bei Asha-didi, wenn man ihr rechtzeitig Bescheid gab, und bei ihr waren sie nicht fade wie in den Klöstern Kantons, sondern so pikant, wie man sie sich nur wünschen konnte.
Manche Achhas lebten in Südchina wochenlang von Reis und gekochtem Gemüse, aus Angst, unbeabsichtigt verbotenes Fleisch zu sich zu nehmen – oder, schlimmer noch, irgendeine unbekannte Substanz, die das geordnete Funktionieren
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