Der Rausch einer Nacht
rundum geschützt sein würden, habe ich gleich ein Dutzend Schutzmittel besorgt, und davon nicht nur ein Fläschchen, sondern gleich die Kurpackung. Gegen Moskitostiche, gegen Wespenstiche, gegen Insektenbisse, gegen Krabbelwesen und gegen diverses Fluggetier. Selbstredend hatte ich auch etliche Großflaschen Anti-Schlangenmittel nicht vergessen. Jedesmal, wenn wir irgendwo unser Zelt aufgebaut haben, habe ich diese Flüssigkeit großzügig und im weiten Umkreis verspritzt.«
»Ein Mittel, um Schlangen abzuwehren? Im Yellowstone Park?« entfuhr es Cole, und er erstickte beinahe an seinem Lachen. »Wie hat es euch denn in dem Nationalpark gefallen?«
»Das kommt ganz darauf an, wen von uns du fragst«, antwortete Diana trocken, und wieder lachte die ganze Familie.
Mrs. Foster wischte sich die Lachtränen aus den Augen und berichtete: »Gleich am ersten Tag im Yellowstone haben wir eine Wanderung unternommen. Corey konnte ein paar Bilder von Bergziegen knipsen, und ich habe ein paar hübsche Landschaftsbilder gezeichnet. Diana hingegen ist mit Giftefeu in Berührung geraten, und Robert bekam einen allergischen Schock.«
»Dafür hatten wir in den Nächten aber großen Spaß«, wandte Corey ein. »Wir haben über offenem Feuer gekocht, Marshmallows in die Flammen gehalten und Lieder gesungen.«
»Und wenn wir uns alle schlafengelegt hatten, kamen die Waschbären und sind über unsere Abfalltüten hergefallen«, bemerkte Diana, während sie ein Stück von ihrer Scheibe Entenbrust abschnitt. »Ich glaube, im Umkreis von zehn Meilen mußte kein einziger Waschbär hungern. Und dann waren da noch die Bären, die nachts auf ihre Gelegenheit gelauert haben, einen von uns zu verspeisen.«
»Wenn ich so daran zurückdenke«, grinste ihre Schwester, »waren die Rollen bei diesem Urlaub doch recht unterschiedlich verteilt. Während ich nach Herzenslust durch Wald und Flur gestreift bin und nur eines im Sinn hatte, nämlich ein perfektes Motiv zu finden, stolperte Diana unermüdlich hinter mir her, schleppte sich mit ihren diversen Schutzmitteln ab und las dabei in ihren Handbüchern, wie man sich verhalten soll, wenn einem plötzlich ein Elch in der Brunft über den Weg läuft oder man unvermittelt einem unfreundlichen Bären gegenübersteht.«
»Du solltest froh sein, daß deine Schwester diese Mühe auf sich genommen hat«, ermahnte Mrs. Foster sie.
»Ja, das stimmt«, erklärte Corey Cole. »Denn an dem Tag, an dem wir wieder nach Hause fahren wollten, habe ich mich noch vor Sonnenaufgang mit meiner Kamera auf den Weg gemacht. Und das gegen Dads ausdrückliche Anordnung, der alle gewarnt hatte, das Lager niemals allein zu verlassen. Weißt du, ich wollte unbedingt an einem Fotowettbewerb in der Kategorie Naturaufnahmen teilnehmen, aber bislang war mir noch kein außergewöhnlicher Schnappschuß gelungen.
Am Tag zuvor hatte ich etwas gesehen, das mir jeden Aufwand wert schien. Anderthalb Meilen vom Lager entfernt durchquerten ein paar Elche nahe bei einem Wasserfall, der von einem bewaldeten Hügel kam, einen Bach. Wenn ich die im Kasten hätte, möglichst mit der Sonne direkt über dem Hügel, hätte ich die besten Aussichten, den Wettbewerb zu gewinnen. Also bat ich Daddy, mich dorthin zu begleiten, aber er meinte, bei all dem Schnaufen, Keuchen und Husten, das die Allergien bei ihm auslösten, würde er die Tiere verscheucht haben, bevor wir nahe genug heran wären. Und da habe ich eben beschlossen, am nächsten Morgen allein aufzubrechen.«
»Warum hast du denn nicht deine Mutter gefragt?« wollte Cole wissen.
»Ach, die hat am Abend alles zusammengepackt und gesagt, sie sei viel zu erledigt für eine solche Unternehmung.«
»Und was war mit deiner Schwester?«
»Die wollte ich lieber nicht fragen. Die Ärmste war von Kopf bis Fuß mit Quaddeln, Sonnenbrand und Zinksalbe bedeckt. Außerdem hatte sie sich am Tag zuvor den Fuß vertreten. Aber sie hörte an dem betreffenden Morgen, wie ich aus dem Zelt schlich, und hat mir gleich die Liste der möglichen Gefahren vorgetragen, die einem unerfahrenen Wanderer allein in der Wildnis zustoßen können. Ich bin trotzdem aufgebrochen, nur mit Kamera und Taschenlampe bewaffnet.
Einige Minuten später hörte ich, wie etwas hinter mir durchs Unterholz brach. Aber dann roch ich das Zinkoxid und wußte gleich, wer mir auf der Fährte war. Da humpelte sie auch schon heran, den Fuß in einer elastischen Binde, und hatte natürlich ihren unentbehrlichen Notfallkoffer und die
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