Der Rausch einer Nacht
karierte Hemden. Außer natürlich am Sonntag, wenn er zur Kirche ging. Auch heute noch wälzte er am liebsten die Kataloge von den Billigversandhäusern. Ebenso hatte sich seine Meinung über das Kabelfernsehen nicht modernisiert: Er hielt das für einen teuren elektronischen Unfug, der sich auf lange Sicht gesehen nicht durchsetzen werde.
»Hör mal, ich habe nicht vor, Onkel, mich mit dir zu streiten.«
»Gut so.«
»Ich meine damit, ich will mit dir keine Debatte über den Niedergang Amerikas, den Wert der Ehe oder die Annehmlichkeiten eigener Kinder führen.«
»Gut so!« rief Cal noch einmal und erhob sich aus seinem fadenscheinigen Ohrensessel. »Dann heirate, und sorg dafür, daß deine Frau schwanger wird. Sobald das geschehen ist, erhältst du von mir die andere Hälfte deiner Firma. Von mir aus kannst du die Broadway-Tänzerin zum Traualtar führen, die du vor zwei Jahren mal mitgebracht hast. Du weißt doch noch, die mit den fünf Zentimeter zu langen, knallroten Fingernägeln. Meinetwegen auch die Lehrerin, in die du dich als Schüler verliebt hattest, ganz egal, nur heirate eine Frau. Und laß dir damit keine Zeit, denn die steht uns beiden nicht mehr zur Verfügung.«
»Was soll das denn nun schon wieder heißen?«
»Daß wir diese Diskussion nun schon seit zwei Jahren führen und du immer noch Single bist. Und daß ich kein Baby habe, das ich auf den Knien schaukeln kann. Deswegen setze ich dir hiermit ein Zeitlimit: Du bekommst drei Monate, um dich zu verloben, und drei weitere, um dich zu verheiraten. Wenn du mir nach Ablauf dieser Frist keine Frau präsentieren kannst, werde ich meinen fünfzigprozentigen Anteil an deiner Unternehmensgruppe in einen Trust einbringen und als Begünstigte die Namen von Ted und Donna Jean einsetzen. Travis setze ich zum Treuhänder ein. Damit wird er zu deinem wichtigsten Geschäftspartner, und wenn seine Kinder volljährig sind, darfst du dich darauf freuen, daß Ted und Donna Jean das eine oder andere Wörtchen in deiner Unternehmenspolitik mitzureden haben. Das heißt, natürlich nur, wenn dann überhaupt noch etwas von deiner Firma übrig ist, nachdem Travis so lange mitgemischt hat.«
Der Onkel knallte den Enquirer auf den Tisch und jagte noch eine Warnung hinterher für den Fall, daß bei seinem Neffen der Groschen immer noch nicht gefallen war. »An deiner Stelle würde ich mir keine sechs Monate Zeit lassen. Mein Herz ist so schwach, daß es täglich zu schlagen aufhören kann. Nächste Woche lasse ich mein Testament ändern, und wenn ich sterbe, bevor du mir deine Braut präsentieren kannst, fällt alles Travis' Kindern zu.«
Cole kochte so sehr vor Zorn, daß er schon darüber nachdachte, den alten Mann für unmündig erklären zu lassen. Und wenn das nicht klappte, konnte er immer noch das Testament anfechten lassen ... aber das Verfahren würde sich über Jahre hinziehen, und das auch noch mit ungewissem Ausgang.
Seine finsteren Überlegungen wurden von Letty unterbrochen, der Köchin und Haushälterin seines Onkels, die jetzt aus der Küche kam: »Das Abendessen ist fertig.«
Beide Männer hatten sie gehört, aber keiner reagierte in irgendeiner Weise auf die Ankündigung. Onkel und Neffe hatten sich erhoben, standen einander mitten im Wohnzimmer gegenüber und durchbohrten sich mit ihren Blicken. Zwei große, kantige Männer, die einen knappen Meter und eine ganze Generation auseinanderstanden und keinesfalls dem anderen nachgeben wollten.
»Ist dir schon einmal der Gedanke gekommen«, fragte Cole mit zusammengebissenen Zähnen, »daß man nicht einfach losziehen und sich eine Ehefrau suchen kann?«
Cal deutete nach hinten zu dem Stoß Magazine neben seinem Sessel. »Gemäß den Berichten in diesen Zeitschriften besitzt du fünf der sieben wichtigsten Eigenschaften, die Frauen sich von ihrem Ehemann wünschen. Ich zähle sie dir gern auf: Du bist reich, intelligent, gebildet, hast eine glänzende Zukunft vor dir, und laut Donna Jean bist du >süß<, was wohl soviel bedeutet, wie daß du ganz gut aussiehst.«
Im Bewußtsein seines Sieges ließ der Onkel Coles eisigen Blick noch einen Moment über sich ergehen und beschloß dann, der Atmosphäre im Raum etwas von ihrer geladenen Feindseligkeit zu nehmen, die er ja schließlich selbst erzeugt hatte. »Willst du nicht wissen, an welchen zwei Eigenschaften es dir mangelt? Bist du nicht neugierig darauf?«
»Nein!« gab der Neffe so aggressiv zurück, daß er lieber nicht mehr sagen wollte.
Cal
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