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Der Rausch einer Nacht

Titel: Der Rausch einer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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nur so, als sei er ein Stück eingelaufen.
    Auch war Cals Haar nicht über Nacht weiß geworden. Cole hatte ihn nie anders als grauhaarig kennengelernt. Dichtes Haar mit langen Koteletten, die sein schmales, wettergegerbtes Gesicht mit dem kantigen Kinn und den wasserblauen Augen einrahmten. Überhaupt die Augen - mit denen schien er die Welt aus einer ganz anderen Perspektive wahrzunehmen. Entschlossenheit, Intelligenz und Humor standen in ihnen zu lesen. Mittlerweile lagen sie hinter einer Brille, wirkten deswegen aber noch lange nicht stumpf oder matt, und wie früher entging ihnen nichts.
    Allerdings hatte sein Körper einiges von seiner einstigen Kraft verloren und war sicher auch etwas erschlafft, weil Cal nicht mehr so viel körperlich arbeiten konnte. Aber die wahre Stärke des alten Mannes hatte stets in seinem Verstand gesteckt. Und wie Cole heute abend zu seinem Leidwesen hatte feststellen müssen, hatte der Geist seines Onkels noch immer die alte Schärfe.
    In den nächsten Tagen würde Cal Lösungen für sich selbst und all die anderen Probleme finden. Gleich morgen früh würde er sich auf die Suche nach einem Spezialisten machen und sich nach den neuesten Behandlungsmethoden erkundigen, um etwas gegen das geschwächte Herz des alten Mannes zu unternehmen. Kaum verging ein Tag, an dem nicht irgendein neues, noch besseres Mittel auf den Markt kam oder jemand die Vorzüge eines alten wiederentdeckte, das in Vergessenheit geraten war. Wenn er früher gewußt hätte, wie schlecht es um die Gesundheit seines Ersatzvaters stand, hätte er sich schon längst darum gekümmert.
    Cole hatte in seinem ganzen Leben immer für alles eine Lösung gefunden. Das konnte man wohl als seine eigentliche Stärke bezeichnen. Dieses Talent hatte ihm auch zu dem Reichtum und Erfolg verholfen, den er sich früher nie hätte vorstellen können.
    Der Schlaf übermannte ihn in dem einfachen, spartanisch eingerichteten Raum, in dem er als Junge davon geträumt hatte, was er als Mann alles erreichen würde. Irgend etwas in der klösterlichen Schlichtheit dieser Kammer hatte ihn zu kühnen Hoffnungen und Plänen ermutigt.
    Und heute, da er längst zum Mann herangereift war, schenkte der Raum ihm innere Ruhe und Optimismus. Cole besaß überall auf der Welt Häuser und Apartments, die auf das Edelste und Luxuriöseste eingerichtet waren und über die wunderbarsten Betten verfügten, doch nirgendwo fand er so erquickenden Schlaf wie in dieser schlichten Kammer.
    Er sagte sich, daß diesem Raum etwas Geheimnisvolles innewohnte, das für ihn immer schon die Welt geradegerückt hatte.
    Der Friede, der ihn überkam, begleitete ihn auch in seinen Träumen - wie stets, wenn er hier war.
    Das Fenster stand offen, und ein Mondstrahl drang durch den Spalt zwischen den Vorhängen und verwandelte sie in silberne Seidengewebe, die scheinbar gewichtslos in einer sanften Nachtbrise schaukelten. Die Luft schien hier frischer und duftender zu sein als irgendwo auf der Welt.
    Am Morgen, wenn er sich frisch und ausgeruht fühlte, würde er besser nachdenken und Lösungen ersinnen können. Für den Augenblick reichte es ihm vollkommen, daß die vertrauten Wände mit ihren wenigen Bildern an der Wand ihn beschützten und ihm die gewohnte Geborgenheit gaben.
    Auf dem Nachttisch stand der alte Wecker und tickte laut und im Rhythmus zu seinem Herzschlag. Das erinnerte ihn an den Lauf der Zeit und daran, daß die Welt morgen ganz anders aussehen würde.
    Irgendwann in der Nacht drehte er sich auf den Bauch, und das Laken bewegte sich wie aus eigener Kraft und deckte ihn bis zu den Schultern zu - genau so, wie das immer geschah, wenn er hier die Nacht verbrachte.
    Calvin Downing stand neben dem Bett und blickte auf seinen schlafenden Neffen. Tiefe Linien der Anspannung und Müdigkeit hatten sich in Coles Augen- und Mundwinkel gegraben.
    Der Onkel sprach zu dem jungen Mann, doch seine Stimme klang noch leiser als das Rascheln der Vorhänge an der Fensterbank. Seine Worte sollten beruhigend wirken und waren voller Liebe für den Neffen, wenn sie auch ein wenig grollend herauskamen. Schon immer hatte er in der Nacht noch einmal nachgesehen, ob bei Cole auch alles in Ordnung war. Und wenn der Junge schlafend dalag, konnte der Onkel ihm all das sagen, was er nicht über die Lippen brachte, wenn Cole direkt vor ihm stand.
    »Du hast bereits soviel von dem erreicht, wovon die meisten Männer nur träumen können«, flüsterte Cal. »Und du hast dir und aller Welt

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