Der Rausch einer Nacht
Diana, die nichts von ihrer Ruhe und vornehmen Haltung verloren hatte, an die er sich noch so gut erinnern konnte.
Sie trug ein enganliegendes lilafarbenes Gewand, das ihre festen Brüste und schmalen Hüften betonte, und sie bewegte sich wie eine Königin durch das künstliche Zwielicht des Zauberwalds. Von dem Geschiebe, Gedränge und Getuschel links und rechts von ihr schien sie überhaupt nichts mitzubekommen. Wie eine stolze Guinevere wirkte sie mit ihren zierlichen Zügen, dem schmalen Kinn und den großen, leuchtenden grünen Augen unter den dichten dunklen Wimpern und den exotisch gebogenen Brauen.
Cole sagte sich, daß alles an ihr jetzt wirklich erblüht war, und von dem winzigen Grübchen in ihrem Kinn konnte man kaum noch etwas erkennen. Nur das Haar sah noch so aus wie früher - voll glänzte es in der Farbe von Mahagoni und erstrahlte im Schein der vielen Leuchter besonders glänzend. Eine wunderbare Halskette mit großen, quadratisch geschnittenen rotvioletten Amethysten, die von Diamanten umringt wurden, ruhte um ihren Hals und schmeichelte ihr und ihrem Abendgewand. Der junge Mann sagte sich, daß solche Kleider und ebendieser Schmuck ihr viel besser standen als die Bügelfaltenhosen und konservativen Blazer, in denen sie sich sonst zeigte.
Er blieb im Schatten der Bäume, um ihre Schönheit noch etwas länger genießen zu können. Doch noch viel mehr bewunderte er ihre schwer in Worte zu fassende, gleichsam aber unübersehbare Präsenz, mit der sie aus diesem sich ständig bewegenden Kaleidoskop von Gestalten und Farben eindeutig hervorragte. Fast wollte es ihm erscheinen, als bilde Diana einen ruhenden Pol in diesem Meer von Bewegung.
Sie lauschte gerade aufmerksam einem Mann, der ihr etwas mitteilte. Cole war sich sicher, in ihm Spencer Addison wiederzuerkennen. Als der junge Mann sich jemand anderem zuwandte, trat Harrison aus seinem Versteck, bewegte sich aber nicht gleich auf Diana zu, sondern hoffte, daß sie in seine Richtung schauen würde. Cole wünschte, sie würde ihn gleich erkennen, ihm ihr unvergeßliches
Lächeln schenken und dann zu ihm kommen, um ihn zu begrüßen. Verblüfft stellte er fest, wieviel angespannte Erwartung sich in ihm aufbaute.
Natürlich ließ sich nicht ausschließen, daß sie ihn ebenso wie vorhin die Haywards übersehen würde. Aber irgend etwas sagte ihm, daß es bei Diana anders wäre. Bis jetzt hatte sein alter Jugendtraum, im Triumph nach Houston zurückzukehren, für ihn keine große Rolle mehr gespielt. So verwunderte es ihn doppelt, als er jetzt feststellen mußte, wie wichtig es ihm war, daß Diana heute abend von ihm Notiz nehmen würde - oder besser gesagt, von dem Mann, der er seit damals geworden war.
Wenn er an die eisigen Blicke von Charles und Jessica Hayward zurückdachte, konnte er sich kaum vorstellen, daß die beiden überall herumerzählt hatten, wie erfolgreich ihr ehemaliger Stallbursche inzwischen geworden war. Daher bestand natürlich die Möglichkeit, daß Diana gar nicht wußte, daß es sich bei dem Cole Harrison, mit dem sie sich als junges Mädchen so gern unterhalten und dem sie immer etwas zu essen mitgebracht hatte, um denselben handelte, der gerade vom Magazin Newsweek zum Unternehmer des Jahres gekürt worden war.
Die Türen zum Ballsaal wurden auf gestoßen, und die ganze Schar setzte sich wie auf ein geheimes Kommando hin in Bewegung. Schon nach wenigen Sekunden konnte er Diana nicht mehr entdecken. Da er sie nicht aus den Augen verlieren wollte und gern ein paar Worte mit ihr gewechselt hätte, ehe sie im Saal an ihrem Tisch Platz genommen hatte, marschierte er jetzt los. Doch die Flut der Gäste behinderte sein Vorankommen. Als er den Strom endlich hinter sich gebracht hatte, standen nur noch etwa hundert Menschen auf dem Zwischengeschoß. Diana gehörte auch dazu, doch sie unterhielt sich gerade mit Doug Hayward.
Cole verlangsamte seine Schritte und wich zur Seite aus. Dann trank er noch einen Schluck und hoffte, daß der junge Hayward sich bald entfernen würde. Er konnte schließlich nicht wissen, ob die Ablehnung des Vaters vom Sohn geteilt wurde, und er wollte nicht das Risiko eingehen, es bei seinem ersten Wiedersehen mit Diana seit über zehn Jahren zu einem peinlichen Vorfall kommen zu lassen.
Doug wollte sie in den Ballsaal begleiten, doch zu Coles großer Erleichterung lehnte sie ab. »Geh nur schon ohne mich voraus. Ich komme gleich nach. Nur eine Minute. Ich möchte noch etwas frische Luft
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