Der Rausch einer Nacht
höflichen Verwirrung aufzusetzen, obwohl sie doch viel lieber mit dem Fuß aufgestampft und ihn angeschrien hätte, er solle verschwinden und sie in Ruhe lassen. Doch die guten Manieren hatte sie gleichsam mit der Muttermilch eingesogen, und ihn anzublaffen wäre ihr doch als zu schlechtes Benehmen vorgekommen.
»Tut mir leid«, entgegnete sie daher sorgsam darauf bedacht, sich keine Ungeduld anmerken zu lassen, »aber wenn wir uns schon einmal begegnet sein sollten, so kann ich mich leider nicht daran erinnern.« Warum hielt er sein Gesicht auch im Schatten? Wenn sie ihn deutlicher hätte sehen können, wäre ihr vielleicht etwas an ihm bekannt vorgekommen.
»Wir sind uns schon begegnet«, versicherte er ihr. »Sogar schon sehr viele Male.« Er hielt ihr ein Glas hin. »Champagner?«
Diana lehnte mit einem Kopfschütteln ab und versuchte angestrengt, mehr von seinem Gesicht zu erkennen, weil sie jetzt davon überzeugt war, daß er irgendein dummes Spiel mit ihr betrieb. Obwohl sie Männer mit weicheren Zügen und weniger kräftiger Statur eindeutig vorzog, wußte sie doch, daß sie einen solchen Ausbund an Männlichkeit gewiß nicht vergessen hätte.
»Das glaube ich kaum«, erwiderte sie höflich, aber bestimmt und war fest entschlossen, seinem Spielchen jetzt ein Ende zu setzen. »Vielleicht verwechseln Sie mich mit jemandem.«
»Sie könnte ich nie mit einer anderen verwechseln«, beharrte er. »Diese grünen Augen und die Haare wie die Mähne eines Fuchses habe ich sogar sehr gut im Gedächtnis behalten.«
»Die Mähne eines Fuchses?« stammelte Diana und schüttelte energisch den Kopf, weil sie definitiv keine Lust mehr hatte, sich weiter auf ihn einzulassen. »Ich bin mir jetzt sicher, daß Sie mich für jemand andern halten. Wir beide sind uns noch nie begegnet.«
»Wie geht es denn Ihrer Schwester?« lächelte er. »Reitet Corey immer noch so gern wie früher?«
Diana starrte in das Halbdunkel. Aber entweder aus Vorsatz oder aus Zufall stand er genau am Rand eines Lichtkreises. Allerdings glaubte sie jetzt vage, seine Stimme schon einmal irgendwo gehört zu haben. »Sind Sie vielleicht ein Bekannter meiner Schwester, Mr....«
Jetzt trat er in den Schein der Lampe, und in einer Mischung aus Schock und Freude erkannte sie ihn sofort wieder.
»Sie sind aber sehr formell geworden«, grinste er und sah sie mit den vertrauten grauen Augen an. »Früher haben Sie mich immer anders angeredet.«
»Cole!« flüsterte sie. Diana wußte natürlich, daß er heute abend auf dem Ball erscheinen würde, und noch bis vor ein paar Tagen hatte sie sich auch darauf gefreut, ihn wiederzusehen. Aber da war ihr Leben noch kein Trümmerhaufen gewesen, und sie hatte sich noch nicht ausschließlich mit ihrem eigenen Unglück beschäftigen müssen.
Er sah die Freude in ihrem Gesicht, als sie ihn erkannte, und das wärmte ihm so sehr das Herz, daß er für einen Moment seine kalte, zynische Art verlor, die er sich zu eigen gemacht hatte. Unabhängig von dem, was die Haywards ihr als Grund für sein plötzliches Verschwinden genannt haben mochten, und ungeachtet der vielen Jahre, in denen sie getrennt gewesen waren, sah Diana ihn immer noch unverändert als ihren Freund an, wie er jetzt erleichtert bemerkte.
»Cole, sind Sie das wirklich und leibhaftig?« fragte sie und schwankte noch zwischen Schock und Begeisterung.
»In Fleisch und Blut. Besser gesagt, in einem Frack«, scherzte er und reichte ihr wieder das Glas. Von einem Fremden hatte Diana nichts nehmen wollen, aber von einem alten Freund gern. Als er in ihr schönes Gesicht sah, das offen zu ihm hochschaute, freute er sich mehr, als er sich das selbst erklären konnte.
»Ich glaube, das schreit nach einem Toast, Miß Foster.«
»Dann bringen Sie ihn bitte aus. Ich bin immer noch ganz durcheinander, und mir fällt nichts Gescheites ein.«
Er hob sein Glas. »Auf die glücklichste Frau, die ich kenne.«
Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht, und sie fing an zu zittern. »Um Gottes willen, bloß das nicht.« Offenbar wußte Cole noch nicht, was ihr widerfahren war, und sie versuchte rasch mit einem Schulterzucken zu verhindern, daß eine peinliche Situation entstand. »Eigentlich wollte ich damit sagen, daß ich schon glücklichere Momente erlebt habe.«
»Wann könnte eine Frau denn glücklicher sein als in dem Augenblick, in dem sie mit knapper Not der Heirat mit einem feigen Mistkerl entronnen ist?«
Dieser Spruch war so unglaublich und gleichzeitig so
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