Der Rebell - Schattengrenzen #2
Klinke. Herabdrücken konnte er nicht. Er hatte in dem Zimmer nichts zu suchen.
»Denk dran die Tiere zu versorgen, Olli«, rief Daniel aus der Küche.
Ups , vergessen. »Mache ich, sobald ich hier durch bin.«
Er hörte Daniel den Kühlschrank öffnen. »Hoffen wir, dass er Trockenfutter hat.« Sein Freund kam in den Flur. »Grünzeug ist nicht vorhanden.«
Oliver nickte abwesend. Er hatte die Hand noch immer auf der Porzellanklinke.
»Was ist?«
Daniel legte seine darüber und drückte. Das Schloss sprang auf. Ein Gefühl von Widerwillen stieg in Oliver auf. Das war einfach nicht richtig.
Offensichtlich kannte Daniel diese Hemmungen nicht. Er tastete neben der Tür nach einem Lichtschalter. Einen Moment später erhellte eine blasse Alabasterlampe den Raum, der chaotischer nicht sein konnte.
Auf dem Boden lagen Stapel alter Zeitungen, verschnürt mit Seilen, Blechkisten, aus denen Briefe quollen, alte Kleidung und Berge von Büchern. Lediglich ein paar Pfade führten durch das Chaos. Einer endete am Bett, einer vor dem Schrank und einer am Fenster.
Über den offenen Kleiderschranktüren hingen Jacken und Hosen. Ein Bügelbrett – im klassischen Sinn ein einfaches Holzbrett, das man zwischen Anrichte und Tisch auflegte – lehnte zwischen Wand und Kommode, aus der Socken heraushingen, als seien sie zum Trocknen drapiert worden. Von dem Frisierspiegel war nicht mehr viel zu sehen. Ausschnitte aus Zeitungen und Illustrierten pflasterten die Glasfläche.
Selbst auf die Entfernung erkannte Oliver die Schlagzeilen.
Thomas H., der Schlächter
Familiendrama in der Landeshauptstadt
Seit dem Fall Rinnelt …
Angewidert ballte Oliver die Fäuste. So konnte Walter leben? Das war eine Horror-Galerie. Kein Wunder, dass der alte Mann seine Nähe nicht ertrug. Schließlich hatte er nichts unternommen, um seine Familie zu retten.
»Meine Güte …« Daniel pfiff durch die Zähne. »Was für ein Glück, dass wir das hier vor der Spurensicherung sehen.«
»Glück?« Oliver schüttelte sich. Der Anblick ließ sich kaum ertragen. Das war furchtbar. Walter umgab sich mit den Hasstiraden der Presse.
Olivers Herz zog sich zusammen. Was musste in Walter vor sich gehen? Was verbarg er unter seiner kalten Oberfläche? Verkannte er seinen Großvater?
Er schüttelte die Fragen ab. Hier ging es nicht um den Mordfall Hoffmann. Walter wusste etwas über die sieben Toten. Dieses Geheimnis galt es, zu lüften.
Sein Blick glitt erneut durch das Chaos. Alles zu sichten, konnte nur die Hölle werden. Andererseits – wo sonst konnten sie Hinweise finden?
Resigniert bahnte er sich einen Weg zum Fenster. Eine Sturmböe schlug gegen die beiden Flügel, als er sie öffnete.
Er klemmte einen der beiden Gummistopfen in den Rahmen, damit das Fenster nicht wieder zuschlug.
Früher oder später würden sie halb erfroren sein. Aber der übelkeiterregende Geruch in der Wohnung sorgte dafür, dass er einfach Luft hereinlassen musste.
Daniel tippte gegen den Spiegel und die Zeitungsausschnitte. »Markgraf muss sich in den Wahnsinn treiben, wenn er sich hiermit umgibt.«
»Ich verstehe, warum er mir am liebsten den Hals umdrehen würde, schon allein, weil ich meinem Vater ziemlich ähnele.«
Kopfschüttelnd wandte Daniel sich ab. »Er neigt zum Fanatismus, oder?«
»Kann sein.«
Oliver kniete sich auf den Boden. Auf einem verschnürten Stapel Zeitschriften lag eine alte Ausgabe des Sterns von 2011. Das von Feuchtigkeit mehrfach aufgeweichte und hart gewordene Cover zeigte eine Frau und einen Mann. Beim nächsten Mann wird alles besser , verkündete die Headline.
Olivers Blick strich über das Cover auf der Suche nach Artikeln, die für seinen Großvater von Interesse sein konnten. Hitlers böser Schatten – die NSDAP-Vergangenheit berühmter Deutscher , stand auf dem roten Band, das die Zeitschrift am unteren Rand zierte. Deshalb?
Auf Seite vierundneunzig gab es einen stark bebilderten Artikel dazu. Er legte das Heft zur Seite. Die Folgeausgabe befasste sich mit der Generation 1922 bis 1929. Das passte schon eher. Walter war 1922 geboren. Während der Nazizeit hatte er dem sicher kaum entkommen können, was Hitler angezettelt hatte. Wahrscheinlich war auch er ein Mitglied der Hitlerjugend gewesen.
Er legte die Hefte zur Seite. Verschiedene Spiegel -Ausgaben folgten. Jedes Magazin auf dem Stoß befasste sich mit dem Thema. Die Ausgaben gingen bis auf das Jahr 1960 zurück.
Was faszinierte Walter daran so sehr? Er hatte diese
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