Der Rebell - Schattengrenzen #2
Teufel – fand sie so toll an ihm?
Er drehte sich zu ihr. Durch die plötzliche Aufmerksamkeit hielt sie inne und starrte ihn aufmerksam an.
»Na komm her, Dicke.« Er pflückte sie vom Boden und hielt sie vor sich auf dem Arm.
Daniel war stehen geblieben. Er lächelte.
»Scheint so, als hättest du einen Familliaris , eine Vertraute gefunden.«
Angenehme Wärme floss durch seinen Körper. Automatisch umarmte er sie fester.
Oliver nickte. Es fühlte sich tatsächlich so an. Das Tier hatte, aus welchem Grund auch immer, alles überlebt, was dort oben stattgefunden hatte. Sie klammerte sich an seine Nähe, ließ sich auch nicht verscheuchen. Vielleicht war sie besessen, wie Chris? Vielleicht mogelte sich ein weiterer Geist auf diesem Weg ein.
Die großen, dunklen Tieraugen starrten ihn unverwandt an. Vorwurf lag darin.
»Habt ihr’s bald?«
Der Bann brach. Irritiert blinzelte er. Die Kälte des hereinbrechenden Herbstwetters schien plötzlich wieder präsent zu sein. Das Tier war seltsam, ziemlich schräg, aber nicht böse.
Er schloss zu Daniel auf. »Sorry.« Er schüttelte den Rest der Betäubung ab. Die Realität hatte ihn wieder. Um ganz zu Bewusstsein zu kommen, tippte er das eigentliche Thema an. »Die Sache mit den sieben vergifteten Toten, was resultiert nun daraus?« Bevor Daniel etwas sagen konnte, sprach Oliver weiter. »Ist Walter ein Mörder? Wenn ja, war er gerade mal achtzehn, als er die sieben getötet hat.«
Daniels Hand krampfte sich um den Handlauf. Sein Blick wich zur Seite. »Das ist nicht ganz so einfach, Olli. Anhand der Kleidungsreste war deutlich zu sehen, dass es sich um eine Gruppe Juden gehandelt hat. Diese armen Menschen waren in der Zeit rechtlos. Niemand wurde zur Rechenschaft gezogen, wenn ein Jude umkam. Damals sind viele unaufgeklärte Morde begangen worden.«
Wut ballte sich in Olivers Magen. »Juden sind Menschen. Nur weil damals ein Haufen Vollidioten der Meinung war, dass …«
»Olli.« Daniels Lippen wirkten wie ein fahler Schnitt in seinem Gesicht. Verärgert zog er seine Brauen zusammen. »Das muss ich mir von dir nicht anhören. Du weißt, dass ich das nicht anders sehe.«
Die Schärfe seiner Worte nahm Oliver den Wind aus den Segeln. Er nickte betroffen. Natürlich wusste er, dass Daniel alle Menschen als gleichwertig betrachtete. »Schon klar. Trotzdem klingt das danach, als würde dieser Fall recht schnell wieder ad acta gelegt werden, nur weil der Mord an Juden damals keine Konsequenz hatte.«
Daniels Mimik entspannte sich. »So sollte das nicht rüberkommen. Ich will damit nur sagen, dass wir keinerlei Dokumente aus der Vergangenheit darüber finden werden, auf denen wir aufbauen können.«
Daniel ging weiter.
Nachdenklich folgte Oliver ihm.
»Meinst du, dass es sich bei den Toten um die zweite Frau Markgraf und ihre Familie handeln könnte?«
»Die Vermutung liegt nah. Beweise haben wir keine.«
Oliver löste eine Hand von dem dicken Hasenhintern und hielt Daniel an der Schulter zurück. »Vielleicht sollten wir außer dem Standesamt auch mal nachschauen, wer von wann bis wann hier gewohnt hat. Vielleicht lassen sich noch ein paar Zeugen auftreiben.«
Daniel lächelte. »Du denkst mit.«
Die Kellerkammer, in die ihn der Wächter geführt hatte, war durch Flatterband abgesperrt worden, keine sonderlich gute Sicherung gegen neugierige Hausbewohner und Journalisten. Oliver tauchte darunter hinweg und schob sich durch die Tür. In Staub und Schutt waren viele Fußabdrücke zu sehen. Wahrscheinlich Polizisten, Spurensicherung und alle möglichen anderen Leute.
Daniel nahm ihm kurz das Licht. Der Keller versank in unheimlichem Schattenspiel. Einen Moment später flammte eine Taschenlampe auf.
»Woher hast du die gezaubert?«
Daniel trat an seine Seite. Lächelnd deutete er auf seine Lederjacke.
»Schon kapiert, ein Hort an Schätzen.« Oliver ging nicht weiter darauf ein. Viel mehr interessierte ihn, wie der vermauerte Keller von innen aussah. Trotz allem schaute er sich vorsichtig nach den allgegenwärtigen Geistern oder Wächtern um. Letztes Mal hatte ihn das graue Ungeheuer ja hierher geführt. Nicht einmal am Rand der Lichtgrenze drückte sich irgendetwas herum. Wirklich seltsam. Woran lag das?
Die Häsin fuhr auf und rammte ihm ihren Kopf direkt gegen das geschwollene Nasenbein. Ärgerlich verzog er das Gesicht und starrte sie an. Ein beinahe gehässiges Grinsen schien auf dem braunen Pelzgesicht zu liegen.
Gehässig bei einem Tier?
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