Der Rebell - Schattengrenzen #2
sonst.«
War sie das nicht immer? Matthias kannte sie nicht so, wie sie hinter den verschlossenen Türen ihres Hauses reagierte. Mal war sie ein Engel, mal eine Hexe. In jedem Fall begegnete sie seinem Vater mit erbitterter Wut. Alles, was aus ihrem Mund kam, war eine Anklage, tief sitzender Zorn, vielleicht Hass.
»Sie schien nach Ablenkung zu verlangen, genoss sie rigoros. Sie sorgte dafür, dass sie in den Nächten nicht allein blieb.«
Matthias Worte hinterließen einen scharfen Schnitt. Fremdgehen? Sie hatte mehr Liebhaber als Amman? Warum hatte sie sich nicht scheiden lassen, wenn sie seinen Vater so sehr verachtete? Oliver schluckte den bitteren Gedanken. Er musste der Erzählung ohne Vorbehalte folgen.
»Es war ein gänzlich schrecklicher Abend. Natalie versuchte ständig auf sie einzugehen, aber es ging nicht. Silke machte dicht, sobald Natalie nachzuhaken begann.«
Also zeichnete sich alles schon an diesem Tag ab. »Danach hast du die Mail an Camilla geschrieben?«
Er nickte. »Erst nachdem ich ihr bis zu Markgraf gefolgt
war und mich mit Bernd ausgetauscht hatte, wurde mir die Brisanz der Situation klar.«
Irgendetwas stimmte nicht. Das konnte nicht sein. Für einen Moment wollte er etwas sagen. Aber vielleicht war es besser, diese Unstimmigkeit zurückzuhalten. Wahrscheinlich würden sich weitere Ungereimtheiten auftun.
»Sie brachte etwas zu Walter und nahm etwas anderes mit.«
»Und was?«
»Sie ließ einen Reisekoffer bei Walter und ging ohne ihn. Dafür steckte sie, laut Bernd, eine Apothekentüte ein.«
Tüte? Er erinnerte sich nicht, dass sie eine Tüte mitgebracht hatte. Vielleicht war sie in ihrer Tasche oder dem großen Reisekoffer verborgen.
»Bernd, der schon hier zur Überwachung in Wiesbaden arbeitete, sagte mir, dass …«
Plötzlich zerriss der Schleier. Oliver schlug sich gegen die Stirn. »Sie brachte etwas hin und nahm etwas mit, sagst du. Walters Buchhandlung war der Umschlag- und Austauschplatz der Ware.« Aufgeregt richtete er sich auf. »Verstehst du, Matthias?«
Dieser nickte auffordernd. »Erzähl, was dir durch den Kopf geht.«
»In letzter Zeit ließ sich Amman regelmäßig dort blicken, besuchte die Jungs, ging mit allen essen. Er hofierte auch Walter dauernd, half ihm im Laden und hat ihn sicher auch mit Extrageld unterstützt. Die Buchhandlung ist nicht gerade in der Fußgängerzone und schon gar nicht modern ausgestaltet, zieht also nur wenige Kunden an. Wie kann sich der Laden halten?«
Matthias nickte. »Mit Aboutreikas Unterstützung.«
»Na klar, ganz logisch. Walter hängt mit drin.«
»Ihm etwas nachzuweisen ist allerdings unmöglich.« Er grinste verlegen. »Heute war ich dir dankbar, dass du eigenmächtig auf Beweissuche gegangen bist.«
Oliver legte die Stirn in Falten. »Du bist ja so eine linke Bazille.«
»Sei mal ganz brav. Du bist für deine sechzehn Jahre schon ziemlich forsch.«
Mit einem Schulterzucken tat Oliver den Kommentar ab. »Was hat sie bei Walter geholt? Was war in der Tüte?«
»Das ist der Punkt. Bis dahin hatte ich nur ein schlechtes Gefühl, nichts Konkretes. Bernd übernahm ihre Überwachung, damit ich wenigstens mein Zeug in unserer Bude abladen konnte. Er informierte mich nach einer guten Stunde, dass sie bleich und vollkommen verstört von Walter losgefahren sei.«
»Aber woher wusstest du, dass alles eskalieren würde?«
Er seufzte. »Ihr Verhalten. Sie war eine gemäßigte elegante …« Er suchte anscheinend nach der passenden Beschreibung. »Ja, eine emotionslose Frau.«
Er kannte sie wirklich nicht.
»Nachdem Natalie sie zu unserem letzten gemeinsamen Abend in ihrer Berliner Wohnung abgeholt hatte, sagte sie mir in einer ruhigen Minute, dass sie Amman Aboutreika in der Lobby gesehen habe.«
» Aboutreika ?«
Offenbar war sein Besuch der Auslöser für alles, was danach folgte. Dann basierte der Mord vielleicht gar nicht auf dem üblichen Elli-Streitthema.
Oliver begann zu frieren.
Er ließ sich wieder im Schneidersitz nieder. Plötzlich fühlte er sich elend, erschöpft. Langsam rieb er über seine Oberarme. Opa legte ihre Vorderpfoten auf seinen Oberschenkel. Ihr weiches, flaumiges Näschen hob sich. Sie richtete ihren voluminösen Hintern aus. Bevor sie mit Heckantrieb springen konnte, hob er sie auf seinen Schoß. Das verhinderte zumindest schmerzhafte Tritte in seine edelsten Teile.
Die Häsin kuschelte sich eng an ihn.
Oliver musterte Matthias. Er verschwieg Details.
»Weißt du, was meine Ma bei
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