Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Regenmacher

Der Regenmacher

Titel: Der Regenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
verziehen. »Die Nachverhandlung findet in ungefähr einer Woche statt. Meine Sekretärin wird Sie über den Termin informieren. Sonst noch etwas?«
    Ich schüttle den Kopf. Was könnte ich mehr verlangen?
    Ohne aufzustehen, sagt Leo leise: »Nichts, Euer Ehren.« Sein Team ist plötzlich damit beschäftigt, Papiere in Aktenkoffer und Akten in Kartons zu verstauen. Sie können es kaum erwarten, von hier zu verschwinden. Dies ist bei weitem das höchste Urteil in der Geschichte von Tennessee, und sie werden für alle Zeiten abgestempelt sein als die armen Schweine, die es einstecken mußten. Wenn ich nicht so erschöpft und nicht so fassungslos wäre, würde ich vielleicht sogar hinübergehen und ihnen die Hand geben. Das wäre die feine Art, aber mir ist einfach nicht danach zumute. Es ist wesentlich leichter, hier neben Dot zu sitzen und Donny Rays Namen auf meinem Block zu betrachten.
    Ich bin nicht wirklich reich. Die Berufung wird ein Jahr kosten, vielleicht auch zwei. Und das Urteil ist so enorm, daß mit einer bitterbösen Attacke zu rechnen ist. Ich werde also alle Hände voll zu tun haben.
    Aber im Augenblick habe ich das Arbeiten restlos satt. Ich möchte mich in ein Flugzeug setzen und mir einen einsamen Strand suchen.
    Kipler läßt seinen Hammer niederfahren, und dieser Prozeß ist offiziell beendet. Ich werfe einen Blick auf Dot und sehe die Tränen. Ich frage sie, wie sie sich fühlt. Deck kommt rasch mit Glückwünschen herbei. Er ist blaß, aber er grinst, und seine Schneidezähne funkeln. Meine Aufmerksamkeit gilt Dot. Sie ist eine harte Frau, die nur sehr widerstrebend weint, aber sie verliert langsam die Fassung. Ich tätschele ihren Arm und gebe ihr ein Papiertaschentuch.
    Booker kneift mich in den Nacken und sagt, er würde mich nächste Woche anrufen. Cooper Jackson, Hurley und Grunfeld kommen an meinen Tisch, strahlend und des Lobes voll. Sie müssen eine Maschine erreichen. Wir telefonieren am Montag. Der Reporter kommt, aber ich winke ab. Ich nehme diese Leute kaum zur Kenntnis, weil ich mir Sorgen um meine Mandantin mache. Sie klappt jetzt zusammen, ihr Schluchzen wird immer lauter.
    Ich ignoriere auch Drummond und seine Leute, die sich jetzt, wie Packesel beladen, schleunigst verziehen. Kein Wort wird zwischen uns gewechselt. Im Augenblick wäre ich gern eine Fliege an der Wand von Trent & Brent.
    Der Gerichtsdiener, die Protokollantin und der Kanzlist packen ihre Sachen zusammen und verschwinden. Außer mir, Dot und Deck ist niemand mehr im Saal. Ich muß mit Kipler sprechen, ihm dafür danken, daß er meine Hand gehalten und es möglich gemacht hat. Ich werde es später tun. Im Augenblick halte ich Dots Hand, während sie eine Sturmflut entlädt. Deck sitzt neben uns und sagt nichts. Ich sage nichts. Meine Augen sind feucht, mir tut das Herz weh. Das Geld ist ihr völlig gleichgültig. Sie möchte ihren Jungen wiederhaben.
    Jemand, vermutlich der Gerichtsdiener, drückt in dem schmalen Gang neben den Geschworenenbänken auf einen Schalter, und die Lichter gehen aus. Der Saal liegt im Halbdunkel.
    Keiner von uns rührt sich. Das Weinen läßt nach. Sie wischt sich die Wangen mit dem Taschentuch ab und manchmal mit den Fingern.
    »Tut mir leid«, sagt sie heiser. Sie möchte fort von hier, also beschließen wir, zu gehen. Ich tätschele ihren Arm, während Deck unseren Kram zusammensucht und in drei Aktenkoffern verstaut.
    Wir verlassen den unbeleuchteten Gerichtssaal und treten auf den marmorverkleideten Flur. Es ist fast fünf Uhr, Freitag nachmittag, und es herrscht nicht viel Betrieb. Keine Kameras, keine Reporter, keine Horde, die auf mich wartet, um vom Anwalt des Augenblicks ein paar Worte und Aufnahmen zu erhäschen.
    Niemand nimmt uns zur Kenntnis.

50
    Der letzte Ort, wo ich jetzt sein möchte, ist das Büro. Ich bin zu müde und zu benommen, um in einer Bar zu feiern, und der einzige, der mir in diesem Moment Gesellschaft leistet, ist Deck, ein Nicht-Trinker. Zwei steife Drinks wären ohnehin genug, um mich ins Koma fallen zu lassen, also gerate ich gar nicht erst in Versuchung. Irgendwo sollte jetzt eine tolle Siegesfeier stattfinden, aber dergleichen läßt sich schwer planen, wenn man es mit einer Jury zu tun hat.
    Vielleicht morgen. Ich bin sicher, daß morgen der erste Schock vorbei sein und eine verzögerte Reaktion auf das Urteil einsetzen wird. Bis dahin werde ich die Realität begriffen haben. Morgen werde ich feiern.
    Ich verabschiede mich vor dem Gericht von Deck, sage

Weitere Kostenlose Bücher