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Der Regenmacher

Der Regenmacher

Titel: Der Regenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Jetzt ist es nicht mehr so schlimm. Und vielleicht hat der Wahnsinn dieses Trainings auch Methode. Ich habe Tausende von Geschichten gehört über die großen Kanzleien und ihre Praxis, Anfänger zwei Jahre lang in der Bibliothek schuften und Schriftsätze und Prozeßberichte schreiben zu lassen.
    Alle Uhren bleiben stehen, wenn man mit einem Kater recherchiert. Die Kopfschmerzen werden schlimmer. Booker findet mich am späten Freitagnachmittag in meinem kleinen Nest mit einem Dutzend aufgeschlagener Bücher auf dem Tisch. Leubergs Liste der einschlägigen Fälle. »Wie geht es dir?« fragt er.
    Booker trägt Jackett und Krawatte, und bestimmt ist er in seinem Büro gewesen, hat alle möglichen Leute angerufen und das Diktiergerät benutzt wie ein richtiger Anwalt.
    »Ich bin okay.«
    Er kniet sich neben mir hin und betrachtet den Stapel Bücher. »Was ist denn das?« fragt er.
    »Nichts fürs Examen. Nur ein bißchen Recherche für Smoots Seminar.«
    »Du hast für Smoots Seminar doch noch nie recherchiert.«
    »Ich weiß. Ich bin mir meiner Schuld bewußt.«
    Booker steht auf und lehnt sich an die Wand meiner Nische. »Zweierlei«, sagt er fast flüsternd. »Mr. Shankle glaubt, daß der kleine Zwischenfall bei Broadnax and Speer abgetan ist. Er hat mit ein paar Leuten telefoniert, und es wurde ihm versichert, daß die sogenannten Opfer nicht vorhaben, Anklage zu erheben.«
    »Gut«, sage ich. »Danke, Booker.«
    »Keine Ursache. Ich glaube, du kannst dich jetzt wieder hinauswagen. Das heißt, falls du dich von deinen Recherchen losreißen kannst.«
    »Ich werde es versuchen.«
    »Zweitens. Ich hatte ein langes Gespräch mit Mr. Shankle. Komme gerade aus seinem Büro. Und, also, im Moment ist nichts frei. Er hat drei neue Leute eingestellt, mich und zwei weitere aus Washington, und er weiß nicht einmal, wo er sie unterbringen soll. Er ist schon jetzt auf der Suche nach größeren Räumlichkeiten.«
    »Das hättest du nicht zu tun brauchen, Booker.«
    »Nein. Aber ich wollte es. Nicht der Rede wert. Mr. Shankle hat versprochen, ein paar Fühler auszustrecken, ein bißchen auf den Busch zu klopfen, du weißt schon. Er kennt eine Menge Leute.«
    Ich bin so gerührt, daß mir beinahe die Worte fehlen. Noch vor vierundzwanzig Stunden hatte ich Aussicht auf einen guten Job mit einem hübschen Gehalt. Jetzt habe ich Leute, die ich nicht einmal kenne und die versuchen, ihren Einfluß geltend zu machen und irgendein winziges Fetzchen Arbeit für mich aufzuspüren.
    »Danke«, sage ich, beiße mir auf die Lippe und starre auf meine Finger.
    Er schaut auf die Uhr. »Ich muß los. Wollen wir morgen früh für das Examen lernen?«
    »Natürlich.«
    »Ich rufe dich an.« Er schlägt mir einmal aufmunternd auf die Schulter und verschwindet.
    Um genau zehn Minuten vor fünf steige ich die Treppe zum Erdgeschoß hinauf und verlasse die Bibliothek. Ich halte jetzt nicht mehr Ausschau nach Polizisten, fürchte mich nicht davor, Sara Plankmore zu begegnen, mache mir nicht einmal mehr Sorgen wegen weiterer Zustellungsbeamter. Und ich habe praktisch überhaupt keine Angst vor unerfreulichen Begegnungen mit gewissen Kommilitonen. Sie sind alle verschwunden. Es ist Freitag, und die Fakultät ist menschenleer.
    Das Vermittlungsbüro befindet sich im Erdgeschoß in der Nähe des Haupteingangs, wo die ganze Verwaltung untergebracht ist. Ich werfe einen Blick auf das Schwarze Brett, bleibe aber nicht davor stehen. Normalerweise hängen hier Dutzende von Stellenangeboten – bei großen und mittelgroßen Kanzleien, allein arbeitenden Anwälten, Privatfirmen, staatlichen Ämtern. Ein kurzer Blick sagt mir, was ich bereits weiß. Am Schwarzen Brett hängt keine einzige Notiz. Um diese Jahreszeit gibt es keinen Stellenmarkt.
    Madeline Skinner leitet das Vermittlungsbüro hier schon seit Jahrzehnten. Einem Gerücht zufolge will sie in Pension gehen, aber ein anderes Gerücht besagt, daß sie jedes Jahr damit droht, um wieder irgend etwas aus dem Dekan herauszuquetschen. Sie ist sechzig und sieht aus wie siebzig, eine magere Frau mit kurzem grauen Haar, unzähligen Fältchen um die Augen herum und immer einer brennenden Zigarette im Aschenbecher. Vier Schachteln pro Tag heißt es, was schon irgendwie komisch ist, weil der Bau jetzt offiziell zur Nichtraucherzone erklärt wurde; aber niemand hat den Mut aufgebracht, Madeline das mitzuteilen. Sie ist eine überaus wichtige Persönlichkeit, weil sie die Leute anschleppt, die die Jobs anbieten. Wenn es

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