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Der Regler

Der Regler

Titel: Der Regler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Landorff
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auf Ihre traurige Kindheit aufmerksam machen wollte? Weil dieser Jemand damit sagen wollte: Er war ein Opfer, und jetzt ist er ein Täter. Dieser Tretjak hat etwas Schlimmes erlebt, und vielleicht hat er deshalb eine Rechnung offen. Sollte das die Botschaft des Briefes sein? Oder liegt diese Interpretation Ihrer Meinung nach daneben?«
    »Herr Kommissar«, antwortete Tretjak, »ich möchte Ihnen ein paar grundsätzliche Dinge über mein Leben erzählen. Wie Sie selbst gerade gehört haben, hatte ich kein besonderes Glück mit meiner Kindheit. Und ich habe daraus meine Konsequenzen gezogen. Ich habe die ersten Jahre meines Lebens samt zugehöriger Familie gelöscht. Ich habe beschlossen, dass mein Leben mit mir anfängt, und zwar mit mir als jungem Menschen. Ich habe beschlossen, den ganzen Scheiß nicht mein Leben lang mit mir herumzuschleppen.«
    »Und das hat funktioniert?«, fragte Maler.
    »Ja, das funktioniert ganz ausgezeichnet. Wenn Sie so wollen, habe ich daraus ein Geschäftsmodell entwickelt. Ich bin nicht der Ansicht, dass man seinem Schicksal hilflos ausgeliefert ist. Ich bin der Ansicht, dass man etwas dagegen tun kann. Man kann seinem Leben immer wieder eine neue Richtung geben, man muss dieser Veränderung nur Regeln geben, die dann strikt zu beachten sind.« Tretjak griff zur Thermoskanne. »Darf ich?« Maler nickte knapp. Tretjak fuhr fort: »Und nun komme ich zu Ihrer Frage zurück, ob ich mir erklären kann, warum dieser Brief an die arme Maria verschickt wurde. Nein, ich kann es nicht erklären. Und ich denke auch nicht darüber nach, keinen einzigen Moment. Ich beschäftige mich nicht mit meiner Vergangenheit, auf keinen Fall. Das ist mein Prinzip.«
    »Ihr Prinzip ist das. So, so.« Maler stand auf und ging um den Schreibtisch herum, bis er hinter Tretjaks Rücken stand. »Sie beschäftigen sich nicht mit der Vergangenheit, das ist ja interessant.« Maler machte eine Pause, stützte sich mit beiden Händen fest auf Tretjaks Lehne, so dass er fast dessen Rücken berührte. »Was sind Sie nur für ein Mensch?« Maler wurde laut. »Drei Menschen sind auf grausamste Art und Weise in nicht einmal einer Woche ermordet worden. Drei Menschen, die Sie gut kannten. Und Sie sitzen hier und erzählen mir irgendwas von neuen Regeln, die Sie aufstellen, damit Sie die Welt beherrschen, so wie Sie es wollen. Ich bitte Sie, das ist doch lächerlich!«
    »Drei Menschen?«, fragte Tretjak, und seine Stimme wurde ebenfalls schneidend: »Herr Kommissar, sagen Sie mir, was gestern passiert ist!«
    »Das kann ich machen.« Maler beugte sich näher an Tretjaks rechtes Ohr. »Die Tochter Ihrer Putzfrau bekam gestern einen Anruf von Ihnen, dass sie einspringen sollte für die Mutter, Ihre Wohnung zu putzen.«
    »Unsinn«, sagte Tretjak, »ich habe nicht angerufen, bei niemandem.«
    »Ein telefonischer Auftragsdienst hat bei der Tochter angerufen, in Ihrem Namen, sagt sie. Jedenfalls ist sie zu Ihrer Wohnung gefahren, Sie hatten ja einen Wohnungsschlüssel im Lokal um die Ecke hinterlegt.«
    »Ich habe gar nichts hinterlegt«, sagte Tretjak.
    »Die Tochter Ihrer Putzfrau hat Ihre Wohnung aufgeschlossen und angefangen zu putzen. Der Täter hatte sich ein besonderes Spiel ausgedacht. Sie hat erst die Küche geputzt, die überall voll Blut war. Angst hat sie gehabt, sagte die Frau, nein, sie sagte es nicht, sie schrie, zitterte am ganzen Körper, weinte, als ich mit ihr sprach. Sie dachte, vielleicht sei irgendein Tier geschlachtet worden.« Maler wurde ganz leise. »Aber, Herr Tretjak, die Frau hatte unrecht, es war kein Tier. Es war ihre Mutter. Sie fand die nackte Leiche in der Badewanne, in Ihrer Badewanne, übersät mit unzähligen Messerstichen. Und ohne Augen. Herr Tretjak, wer denkt sich so etwas aus?«
    Tretjak stand abrupt auf. »Mein Gott, Frau Lanner, die gute Frau Lanner … ja, wer denkt sich so was aus?«
    »Wo waren Sie gestern zwischen 14 und 17 Uhr?«, fragte Maler.
    »Ich war den ganzen Nachmittag an der Isar. Mit einer Frau.«
    »Hat die Frau einen Namen, und kann sie das bezeugen?«
    »Ja«, antwortete Tretjak, »aber ich muss sie erst fragen, bevor ich Ihnen den Namen gebe.« Tretjak setzte sich wieder. »Herr Kommissar, welches Motiv sollte ich haben, meine Putzfrau zu töten, und dann noch auf diese Art? Ich bitte Sie.«
    »Welches Motiv hatten Sie«, fragte Maler, »die alte Frau Lanner nach Argentinien zu schicken, auf Ihre Kosten?«
    »Ich habe sie nicht nach Argentinien geschickt. Das ist

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