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Der reiche Mann

Der reiche Mann

Titel: Der reiche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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grüner Algen bedeckt waren.
    Viele alte Frauen arbeiteten in den Austernparks, so wie sie zu Hause ihren Haushalt besorgten, brachten alles in Ordnung und entfernten die dicken Steine. Man sah auch Männer dort in Stulpenstiefeln, wie Lecoin sie trug.
    Es war die Stunde des Tages, die er am liebsten hatte. Doudou und er teilten sich die Arbeit stillschweigend. In zwei Stunden füllten sie sieben Muschelkörbe, die Doudou in den Lastwagen trug.
    Die Saison war auf ihrem Höhepunkt. Anfang Mai hörte der Versand fast ganz auf bis zur Wiederkehr der Monate mit ›r‹.
    Er hatte nicht das Gefühl, nachzudenken. In seinem Austernpark füllte er einen Korb fürs Mittagessen. Er allein verzehrte fünf bis sechs Dutzend.
    »Wieviel zahlst du heute?«
    »Zwei Francs mehr für den Korb als gestern. Wie viele hast du?«
    »Acht Körbe.«
    Er zog seine dicke Brieftasche heraus und zählte die Scheine. Doudou hatte verstanden und holte die Körbe des alten Mathieu. Einer nach dem anderen kamen sie zu ihm, feilschten mit ihm um den Preis und konnten dem Anblick der dicken Brieftasche kaum widerstehen.
    Er nahm im ganzen dreißig Körbe mit und fuhr ins Dorf, wo er wie immer vor ›Chez Mimile‹ hielt. Die Kartenspieler waren da. Lecoin winkte ihnen, und sie murmelten: »Tag!«
    Doudou stellte sich ans Ende der Theke. Das war so etwas wie ein Ritus geworden. Theo Porchet war ebenfalls da, aber er vermied es, zu grinsen oder mehr oder weniger abfällige Bemerkungen zu machen.
    Er war etwas über Vierzig, und alle am Tisch waren ungefähr ebenso alt. Sie waren alle aus Marsilly, hatten als Kinder zusammen gespielt und in der Schule in derselben Klasse gesessen.
    Das gleiche war es mit den Spielern, die am Nachmittag kamen. Es waren die alten, die mehr als Siebzigjährigen, die sich auch seit ihrer Kindheit kannten. Nach so vielen Jahren trafen sie sich immer noch an einem Tisch im Bistro, um Manille zu spielen. Und immer waren zwei oder drei anwesend, die, rittlings auf einem Binsenstuhl sitzend, bei der Partie zusahen und ihren Senf dazugaben.
    So vergingen die Jahre.
    Zu der Morgenrunde gehörte unter anderem auch Jo Chevalier, der Friseur, der zugleich Küster war.
    Louis Cardis besaß einen kleinen Hof und vier oder fünf Kühe. Seine Frau kümmerte sich fast allein um alles. Der kleine Marcel Lefranc war Metzger und schlachtete die Schweine auf den Höfen, wo er, wenn man es von ihm verlangte, auch Wurst machte.
    Pringuet, der Briefträger, ließ sich immer nur wenige Minuten blicken, ehe er seine Runde fortsetzte.
    Für Lecoin stand schon ein gefülltes Glas bereit, und er trank in kleinen Schlucken, wobei er seine Augen über die anderen schweifen ließ.
    Durch die Glastür sah er Mimiles Frau in einer karierten Schürze; sie putzte ihre Kupfergefäße. Das geschah immer am gleichen Wochentag, so wie zum Beispiel der Montag für die Wäsche reserviert war, nicht nur bei Mimile, sondern in fast allen Häusern des Dorfes und auf den Höfen in der Umgebung.
    Man sah dann überall lange Reihen weißer Wäsche hängen, die sich im Wind blähte.
    Warum dachte er daran? Vielleicht indirekt, weil er an Alice dachte. Würde sie wie das frühere Mädchen die Wäsche waschen, oder war sie dafür nicht kräftig genug?
    Er trank sein Glas aus und wischte sich den Mund. Als er zur Tür ging, brummelte er: »Wiedersehn! Wiedersehn, Mimile!«
    Und natürlich folgte ihm Doudou leise auf bloßen Füßen. Er fuhr direkt nach Charron, kam an seinem Haus vorüber, ohne anzuhalten. Er sah niemanden durch die offenen Fenster. Das Büro seiner Frau lag zum Hof hin. Alice war gewiß in der Küche.
    In Charron standen fünf oder sechs Lastwagen am Ufer, und er ging zu den Muschelbänken und wartete, bis man ihn ansprach.
    »Der gleiche Preis wie gestern?«
    »Zwei Francs mehr pro Korb.«
    »Ich habe zehn Körbe.«
    Der Taubstumme las den Menschen die Worte von den Lippen und irrte sich nie. Man hatte ihn nichts gelehrt. Er war wie eine wilde Pflanze gewachsen, und zweifellos deswegen lag ihm soviel daran, allein in seiner Hütte zu leben.
    Lecoin kaufte noch etwa fünfzehn Körbe, und um zwölf Uhr waren die beiden Männer wieder zurück. Während Doudou die Muscheln wusch, trug Lecoin den Korb mit den Austern in die Küche.
    »Bereiten Sie die zum Mittagessen.«
    Alice sagte zuerst gehorsam: »Ja.«
    Aber dann wagte sie hinzuzufügen: »Es schmort schon Kalbsragout im Topf.«
    »Nun, dann fangen wir mit den Austern an.«
    Sie blickte verlegen auf

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