Der Report der Magd
Insassen, weniger wichtige Autos, von weniger wichtigen Männern gesteuert.
Etwas passiert: in dem Schwarm der Autos entsteht eine Bewegung, eine Unruhe. Einige fahren zur Seite, wie um den Weg freizugeben. Ich schaue kurz hoch: es ist ein schwarzer Wagen mit dem weißgeflügelten Auge an der Seite. Die Sirene ist nicht eingeschaltet, aber die anderen Autos weichen ihm trotzdem aus. Er gleitet langsam die Straße hinunter, wie auf der Suche nach etwas: ein Hai auf der Suche nach Beute.
Mich friert, Kälte durchfährt mich, bis hinunter in meine Füße. Es müssen doch Mikrophone dort gewesen sein, sie haben uns gehört.
Desglen greift im Schutz ihres Ärmels nach meinem Ellbogen. »Geh weiter«, flüstert sie. »Tu so, als ob du nichts siehst.«
Aber ich kann nicht umhin zu sehen. Unmittelbar vor uns hält der Wagen an. Zwei Augen, in grauen Anzügen, springen aus der sich öffnenden Doppeltür an der Rückseite. Sie ergreifen einen Mann, der die Straße entlanggeht, einen Mann mit einer Aktenmappe, einen ganz gewöhnlich aussehenden Mann, stoßen ihn rückwärts gegen die schwarze Wagenseite. Einen Augenblick lang steht er da, ausgebreitet vor der Metallwand, als klebte er daran; dann bewegt sich einer der Augen auf ihn zu, macht etwas Scharfes und Brutales, so daß der Mann sich krümmt, zu einem schlaffen Bündel zusammensinkt. Sie heben ihn auf und hieven ihn hinten in den Wagen, wie einen Postsack. Dann sind sie selber drinnen. Schon sind die Türen geschlossen, und der Wagen fährt weiter.
Es ist vorüber, in Sekundenschnelle, und der Verkehr auf der Straße strömt weiter, als wäre nichts geschehen.
Ich fühle nur Erleichterung. Es hat nicht mir gegolten.
Kapitel achtundzwanzig
Ich habe heute nachmittag keine Lust, ein Schläfchen zu machen, mein Adrenalinspiegel ist noch zu hoch. Ich sitze auf dem Fenstersitz und schaue durch die fast durchsichtigen Gardinen hinaus. Weißes Nachthemd. Das Fenster ist so weit wie möglich geöffnet, eine leichte Brise geht, heiß im Sonnenschein, und der weiße Stoff weht mir ins Gesicht. Von draußen muß ich aussehen wie ein Kokon, ein Gespenst, das Gesicht so verhüllt, daß nur die Umrisse zu sehen sind, Nase, verbundener Mund, blinde Augen. Aber ich mag das Gefühl, den weichen Stoff, der über meine Haut streichelt. Es ist, als schwebte man in einer Wolke.
Man hat mir einen kleinen elektrischen Ventilator gegeben, das hilft bei der feuchtheißen Luft. Er surrt auf dem Fußboden, in der Ecke, die Propellerflügel hinter Gittern eingeschlossen. Wenn ich Moira wäre, wüßte ich, wie man ihn auseinandernimmt, ihn auf seine scharfen Kanten reduziert. Ich habe keinen Schraubenzieher, aber wenn ich Moira wäre, könnte ich es ohne Schraubenzieher tun. Ich bin nicht Moira.
Was würde sie wegen des Kommandanten zu mir sagen, wenn sie hier wäre? Wahrscheinlich würde sie es mißbilligen. Sie mißbilligte auch Luke, damals. Nicht Luke, aber die Tatsache, daß er verheiratet war. Sie sagte, ich wildere auf dem Terrain einer anderen Frau. Ich sagte, Luke sei kein Fisch und auch kein Stück Dreck, er sei ein menschliches Wesen und könne seine Entscheidungen selbst treffen. Sie sagte, ich würde nur rationalisieren. Ich sagte, ich liebte ihn. Sie sagte, das sei keine Entschuldigung. Moira war immer logischer als ich.
Ich sagte, sie hätte dieses Problem eben nicht mehr, seit sie beschlossen habe, Frauen den Vorzug zu geben, und soweit ich sehen könne, habe sie keinerlei Skrupel, sie sich zu stehlen oder auszuleihen, wenn ihr danach zumute sei. Sie sagte, das sei etwas anderes, weil das Machtgleichgewicht zwischen Frauen ausgeglichen sei und Sex deshalb eine Transaktion von Möse zu Möse. Ich sagte, das sei eine sexistische Formulierung, ob sie das so gemeint habe, und außerdem sei dieses Argument völlig veraltet. Sie sagte, ich hätte das Problem trivialisiert, und wenn ich glaubte, daß es veraltet sei, dann würde ich den Kopf in den Sand stecken.
Das alles sagten wir in meiner Küche, wo wir an meinem Küchentisch saßen und Kaffee tranken. Wir sprachen beide mit leiser, eindringlicher Stimme, wie wir es uns für solche Auseinandersetzungen angewöhnt hatten, seit wir Anfang zwanzig waren – ein Überbleibsel vom College. Die Küche befand sich in einer heruntergekommenen Wohnung in einem mit Schindeln verkleideten Haus nahe am Fluß. Es war eines jener Häuser, die drei Stockwerke und hinten eine klapprige Außentreppe hatten. Ich wohnte im ersten
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