Der Report der Magd
Ton, wie mir schien.
Die Frau, die sonst hier ist, sagte ich.
Woher soll ich das wissen, sagte er. Er tippte meine Nummer ein, wobei er jede einzelne Zahl genau studierte und mit einem Finger eintippte. Offenbar hatte er das noch nie getan. Ich trommelte mit den Fingern auf den Ladentisch, ungeduldig nach einer Zigarette, und überlegte, ob ihm wohl schon einmal jemand gesagt hatte, daß man gegen die Pickel an seinem Hals etwas tun konnte. Ich erinnere mich sehr deutlich daran, wie er aussah: groß, ein wenig krumm, dunkles, kurz geschnittenes Haar, braune Augen, die einen Punkt zwei Zentimeter hinter meinem Nasenrücken zu fixieren schienen, und diese Akne. Wahrscheinlich hängt es mit dem, was er als nächstes sagte, zusammen, daß ich mich so deutlich an ihn erinnere.
Tut mir leid, sagte er. Diese Nummer ist nicht gültig.
Das ist lächerlich, sagte ich. Sie muß gültig sein, ich habe Tausende auf meinem Konto. Gerade vor zwei Tagen habe ich den Auszug bekommen. Versuchen Sie es noch einmal.
Sie ist ungültig, wiederholte er halsstarrig. Sehen Sie das rote Licht? Das bedeutet: ungültig.
Sie müssen einen Fehler gemacht haben, sagte ich. Versuchen Sie's noch einmal.
Er zuckte mit den Achseln und warf mir ein überdrüssiges Lächeln zu, aber er versuchte es tatsächlich noch einmal. Diesmal beobachtete ich seine Finger bei jeder Ziffer und prüfte die Zahlen, die im Fenster erschienen. Es war wirklich meine Nummer, aber wieder kam das rote Licht.
Sehen Sie? sagte er wieder, immer noch mit diesem Lächeln, als wüßte er einen unanständigen Witz, den er mir aber nicht erzählen würde.
Ich werde vom Büro aus anrufen, sagte ich. Das System hatte schon gelegentlich verrückt gespielt, aber ein paar Anrufe brachten normalerweise alles ins reine. Trotzdem war ich ärgerlich, so, als wäre ich zu Unrecht einer Sache angeklagt, von der ich nichts wußte. Als hätte ich selbst den Fehler gemacht.
Tun Sie das, sagte er gleichgültig. Ich ließ die Zigaretten auf dem Ladentisch liegen, da ich sie nicht bezahlt hatte. Ich nahm an, daß ich mir bei der Arbeit ein paar ausleihen könnte.
Ich rief vom Büro aus an, aber ich bekam nur ein Tonband zu hören. Die Leitungen seien überbeansprucht, hieß es auf dem Tonband. Ob ich freundlicherweise später anrufen könnte.
Die Leitungen blieben den ganzen Vormittag überbeansprucht, soweit ich feststellen konnte. Ich rief noch mehrere Male an, hatte aber kein Glück. Doch auch das war noch nicht ungewöhnlich.
Gegen zwei Uhr, nach dem Mittagessen, kam der Direktor in den Diskettenraum.
Ich muß Ihnen etwas mitteilen, sagte er. Er sah erschreckend aus, das Haar zerzaust, die Augen gerötet und unstet, als hätte er getrunken.
Wir schauten alle hoch, stellten unsere Computer ab. Wir müssen zu acht oder zehnt in dem Raum gewesen sein.
Es tut mir leid, sagte er, aber es ist gesetzliche Vorschrift. Es tut mir wirklich leid.
Was denn? fragte jemand.
Ich muß Sie gehen lassen, sagte er. Es ist gesetzlich vorgeschrieben, ich muß es tun. Ich muß Sie alle gehen lassen. Er sagte es fast sanft, als wären wir Tiere aus der freien Natur, Frösche, die er gefangen hatte, in einem Glas, so als verhielte er sich nun besonders menschlich.
Wir werden gefeuert? fragte ich und stand auf. Warum denn?
Nicht gefeuert, sagte er. Wir lassen Sie gehen. Sie dürfen hier nicht mehr arbeiten, das ist gesetzliche Vorschrift. Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar, und ich dachte, er wäre verrückt geworden. Der Streß sei zuviel für ihn gewesen und ihm seien die Sicherungen durchgebrannt.
Sie können das nicht einfach so machen, sagte die Frau, die neben mir saß. Es klang falsch, unwahrscheinlich, wie etwas, was man im Fernsehen sagen würde.
Es liegt nicht an mir, sagte er. Sie verstehen mich nicht. Bitte gehen Sie jetzt. Seine Stimme wurde lauter. Ich will keinen Ärger. Wenn es Schwierigkeiten gibt, gehen womöglich die Bücher verloren, oder irgend etwas geht kaputt… Er blickte über seine Schulter. Sie sind draußen, sagte er, in meinem Büro. Wenn Sie jetzt nicht gehen, werden sie selber kommen. Sie haben mir zehn Minuten Zeit gegeben. Er hörte sich jetzt noch verrückter an als zuvor.
Der Mann ist durchgedreht, sagte jemand laut. Es war das, was wir wohl alle dachten.
Aber ich konnte in den Flur hinausschauen, und dort standen zwei Männer, in Uniform, mit Maschinengewehren. Es war zu theatralisch, um wahr zu sein, und doch standen sie dort: unerwartete
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