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Der Retuscheur

Der Retuscheur

Titel: Der Retuscheur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dimitri Stachow
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nicht seine Telefonnummer geben? Oder die seiner Sekretärin?«
    »Wie, worum geht es? Wessen Telefonnummer?«
    »Na, die von diesem Promi, der zu dem Brennpunkt fahren soll! Die Telefonnummer Baibikows!«
    »Ah! Gleich. Hier …« Er diktierte mir die Nummer. »Entschuldige, dass ich so lange suchen musste. Weißt du, wie spät es ist? Schon fast Mitternacht. Ruf ihn morgen an.«
    »Schon gut!« Ich schrieb die Nummer auf. »Was macht es ihm aus! Die Politik kennt weder Tag noch Nacht!« Und legte auf.
    Wenn ich damals gewusst hätte, dass Kulagin auf meinen Anruf gewartet hatte und nur so tat, als müsste er erst nach Baibikows Telefonnummer suchen!
     
    Es war tatsächlich Mitternacht. Ich rauchte eine Zigarette nach der anderen. Ein paarmal wollte meine Hand schon nach dem Hörer greifen, machte aber auf halbem Wege Halt.
    Nach der Telefonnummer zu urteilen wohnte Baibikow jetzt irgendwo am Kutusow-Prospekt. Interessant, überlegte ich, wer wird wohl abnehmen? Er selbst, jemand von seinen Angehörigen oder vielleicht seine Sekretärin? Und wie soll ich das Gespräch anfangen? Was ihm sagen? Gleich darauf zu sprechen kommen: He, Bai! Sei gegrüßt! Bist du vorbereitet?
    Ich stand auf, ging in die Küche, setzte den Teekessel auf, öffnete den Kühlschrank: ein Stück Butter, ein paar Eier, ein Wurstende in Folie, Brot. Mein Vater hatte Brot immer im Kühlschrank aufbewahrt, in einem Plastikbeutel.
    Ich konnte meinem lieben Bai auch sagen: Du hattest recht, du Schweinehund, ja! Ich habe mit dem Messer zugestochen, aber das geschah nicht absichtlich, es war ein Zufall, Lisa ist mir ins Messer gerannt!
    Und auflegen.
    Ich zog noch eine, die letzte Zigarette aus der Schachtel. Der Teekessel begann zu schnaufen.
    Baibikow würde mich nie verstehen, wenn ich ihm erklären wollte, dass mein Messerstich Vorherbestimmung gewesen war. Wenn nicht durch mich, wäre es letzten Endes durch einen anderen so gekommen. Lisas Schicksal war besiegelt, mein Vater hatte sie von einem Negativ entfernt: zwei Fotos, eine Art väterliche Botschaft, lagen neben der für immer abgeschalteten Fernbedienung – auf dem ersten trat ich zusammen mit Lisa aus der Toreinfahrt unseres Hauses, auf dem zweiten war ich allein, ohne sie. Aufgenommen hatte uns Bai, ihn hatte ich gebeten, auf den Auslöser der »Moskwa-5«, meines ersten Fotoapparats, zu drücken. Seltsam, dass diesem Stinker so ein gutes Bild gelungen war.
    Das Wasser kochte, der Teekessel erzitterte, pfiff mit hochgehobenem Deckel und schnaufte noch lange weiter, nachdem ich ihn schon von der Herdplatte genommen hatte. Ich drückte die Zigarette aus und zerknautschte die Schachtel. Mein Vater hatte gewusst, dass er nicht lebend in seine Wohnung zurückkehren würde, da er mir als Einzigem, der in der Lage war, ihren Sinn zu erkennen, so eine Botschaft hinterlassen hatte!
    Im Zimmer schaltete ich das Oberlicht ein. Alle fünf Glühlampen des Kronleuchters gingen an, die Rauchwolke schien es zu durchzucken. Ich öffnete das Fenster, um frische Luft hereinzulassen, und trat zum Tisch. Die Fotos lagen so, als warteten sie darauf, dass ich mich an die Arbeit machte, andere zeigten, was für Ergebnisse ich erreichen konnte. Glänzende Perspektiven eröffneten sich mir!
    Vielleicht sollte ich erst mal einen trinken!, überlegte ich.
     
    Ich trat durch den Torbogen auf die Straße, griff nach meiner Brieftasche, zählte das Geld ab und klopfte mit den Fingerknöcheln an das halb offene Fensterchen der kleinen Nachtverkaufsstelle.
    »Camel«, sagte ich und schob das Geld durch das vom Verkäufer geöffnete Fensterchen. »Zwei Schachteln. Und Jim Beam.«
    »Guten Abend, Genrich Genrichowitsch!« Jemand tauchte aus der Dunkelheit auf und stellte sich neben mich: ein mittelgroßer Mann mit zerknittertem Anzug und zur Seite gerutschtem Schlips. »Mögen Sie Camel und amerikanischen Whiskey? Ich ziehe englische Zigaretten vor. Europa, verstehen Sie! Seine altertümlichen geschnitzten Geländer und alles so was.« Der Mann beugte sich leicht vor, und ich erkannte den kahlköpfigen Untersuchungsführer.
    »Rothmans«, sagte er in das Fensterchen und fügte hinzu, wieder zu mir gewandt:
    »Der Geschmack des Erfolgs! So heißt es doch in der Werbung, wie, Genrich Genrichowitsch?«
    »Ich sehe nicht fern!«, erwiderte ich und nahm meine Zigaretten und die Flasche an mich.
    »Beschäftigt? Nur Zeit für die Arbeit? Verstehe.« Er lehnte sich mit der Schulter gegen die Wand des Büdchens und nickte

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