Der Retuscheur
mitfühlend. »Ich habe selbst alle Hände voll zu tun.«
Der Verkäufer reichte ihm eine Schachtel Rothmans und das Wechselgeld.
»Danke.« Der Glatzkopf nickte dem Verkäufer zu, öffnete die Schachtel, zog eine Zigarette heraus, beklopfte seine Tasehen. Die Flasche unter den Arm geklemmt, langte ich nach meinem Feuerzeug und gab ihm Feuer. Er nahm einen tiefen Zug und sah mich wieder an.
»Waren Sie in der Wohnung Ihres Vaters? Ja, eine traurige Geschichte.«
»Was geht Sie das eigentlich an?« Mich juckte es, auszuholen und ihm die Flasche auf die Glatze zu donnern. »Befassen Sie sich mit dem Blutbad in dem Restaurant? Tun Sie das! Befassen Sie sich mit dem Einbruch in meinem Studio? Bitte schön, tun Sie auch das! Ich bin in nichts verwickelt. Und weiß nichts. Was beschatten Sie mich? Was hat mein Vater mit alldem zu schaffen?«
»Aber, aber!« Er lächelte friedfertig. »Was haben Sie denn? Sie waren so still, so verunsichert. Und plötzlich – ohoho!«
»Na schön! Ich war in der Wohnung meines Vaters. Jetzt will ich dorthin zurück. Dort werde ich übernachten. Und einen trinken. Ich trinke gern allein. Morgen früh fahre ich nach Hause, mache mich zu recht …«
»Das ist Ihre Sache«, unterbrach er mich, »Ihr Privatleben. Aber Sie sind ein sehr interessanter Mensch, Genrich Genrichowitsch! Übrigens, hat Ihnen Ihr Vater vor seinem Tod nichts gesagt? Zum Beispiel, dass er bedroht wurde? Hat er Ihnen keine Fotos gezeigt? Er hatte ein hochinteressantes Gerät zu Hause. Wissen Sie das, ja? Damit hat er die verschiedensten Aufnahmen gemacht. Er hatte doch vor irgendetwas Angst. Ja, ja, Genrich Genrichowitsch. Ihr Vater hatte vor irgendetwas große Angst.«
Ich starrte dem kahlköpfigen Untersuchungsführer ins Gesicht und versuchte zu begreifen, was hinter seinen Worten stand. Äußerlich wirkte er völlig unbekümmert, wie er so dastand, seine Zigarette rauchte, sich nach einem schweren Arbeitstag entspannte. Ich schnupperte: Leichter Alkoholgeruch ging von ihm aus.
»Ich habe übrigens heute Abend schon etwas getrunken, aber …« – er wandte sich dem Büdchen zu und studierte die in der Vitrine ausgestellten Flaschen – »nicht genug. Seit heute früh schon hatte ich vor, mir an diesem Abend einen anzusaufen. Dann kam eins zum andern. Ihr Studio, die Leiche von diesem Dämel.« Er klopfte an das Fensterchen und reichte mit den Worten: »Eine Flasche Priwet!« das Geld hinein. »Ich trinke gern Wodka. Nehmen Sie es mir nicht übel, Genrich Genrichowitsch, aber Whiskey ist für mich wie Fusel.«
Der Verkäufer gab ihm die Flasche. Er steckte sie, den Hals nach unten, in die Innentasche seines Jacketts.
»Aber Whiskey oder Wodka – das ist Geschmackssache. Was uns fehlt, sind Leute, Genrich Genrichowitsch. Eine katastrophale Lage! Alles muss man gleichzeitig machen. Sie werden natürlich spotten, alles bedeute, gar nichts zu machen, aber damit haben Sie nicht recht. Gewisse Erfolge können wir schon vorweisen. Bis zum völligen Triumph der Gesetzlichkeit und der Rechtsordnung ist es noch weit, aber bestimmte Schritte tun wir. Ja, die tun wir! Und Ihr gehorsamer Diener ist nach Kräften …«
»Fotos hat mir mein Vater nicht gezeigt«, sagte ich. Sein Geschwätz diente ganz offenkundig dem Zweck, mich zu einem für ihn sehr wichtigen Gespräch herauszufordern. »Aber danach lässt sich suchen. Sie müssen irgendwo zwischen seinen Papieren liegen.«
»Jaaa?«, brachte er wie gleichgültig hervor.
Seine ganze Schläue, sein Blickabwenden, sein Zungenschnalzen – alles war mit weißen Fäden genäht. Er wollte in die Wohnung meines Vaters mitgenommen werden.
»Ja!« Ich nickte und fuhr fort:
»Sie können mitkommen. Wir suchen zusammen.«
»Das kann ich nicht annehmen.« Er fuhr auf, in seinen Augen glommen Fünkchen wie bei einem Jagdhund, der Wild gewittert hat. »Es ist schon spät. Sie wollten sich bestimmt ausruhen, und da kreuze ich auf. Dazu noch das« – er schnippte sich gegen die Kehle –, »Sie trinken doch gern allein, nicht wahr?«
»Hol Sie der Kuckuck! Ich mache eine Ausnahme!«, sagte ich.
Wir durchquerten die Toreinfahrt, gingen über den Hof und näherten uns dem Hauseingang. Unterwegs übergab mir der Glatzkopf seine Wodkaflasche und ruckte leicht mit den Schultern, sodass sein Jackett etwas nach hinten rutschte. Selbst in der Dunkelheit konnte ich erkennen, dass unter dem Jackett ein Halfter hing.
»Vorsichtsmaßnahmen, Genrich Genrichowitsch«, sagte er. »Die
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