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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter
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Diensthandy!«
    Das steckte in Max’ Jackentasche. Er signalisierte Oleg ein »Okay, ich komm rauf!« und stiefelte zur Treppe. Den obskuren Beutel nahm er mit. Bevor sich den einer der anderen unter den Nagel riss, wollte er selbst einen Blick hineinwerfen.
    Oleg stand abwartend neben dem Gelben Ungetüm. Max trat zu ihm. Die Fremdheit zwischen ihnen war greifbar. Oleg schien das auch zu spüren. Er sah Max nicht an, sondern klopfte gegen die Rikscha.
    »Hat Hamid sauber hingekriegt! Hätte ich nicht gedacht – nach dem, was da alles im Arsch war…«
    »Hamid ist eben Weltklasse, wenn was im Arsch ist.«
    Sie wussten beide, was selbst ein Hamid nicht mehr flicken konnte.
    »Ist er«, entgegnete Oleg einsilbig. »Was ist mit dem Handy?«
    Max fingerte es einhändig aus der Tasche – etwas umständlich, weil er mit der anderen Hand immer noch den tropfenden Matchbeutel auf Abstand hielt. Oleg steckte das Handy ein und sah fragend auf das nasse Beutestück.
    »Und? Lohnt sich das Schlickrutschen?«
    »Siehst du doch. Das ist Störtebekers Sportbeutel!«
    »Bingo! Endlich reich und berühmt.«
    »Ist sogar noch der Ball drin.«
    Max hielt den Beutel auf Armlänge vor sich und kickte Vollspann gegen den runden Inhalt. Es tat weh, sogar durch die Gummistiefel.
    »Scheißhart, die Pille, was?« erkundigte sich Oleg, nicht ohne Schadenfreude.
    Max fühlte in sich das nackte Grauen aufsteigen. Er ließ den Beutel fallen wie einen heißen Stein. Und wie ein Stein fiel der Beutel zu Boden. Dort landete er mit einem hässlichdumpfen Aufprall, den garantiert kein Stein verursachen würde.
    »Was für ein Ball ist denn das?« Oleg hockte schon neben dem Beutel, zog die Öffnung auf und schüttete den Inhalt aus. Etwas rollte über die Gehwegplatten und blieb genau vor Max’ Füßen liegen…
    Die hohen Wangenknochen und vollen Lippen waren durchaus noch erkennbar. Vom seelenvollen Blick hatten die Ratten allerdings nicht mehr viel übrig gelassen.
    Keine Sechzehn.
    Und älter würde sie nicht mehr werden.

4.
    »Noch einmal: Gestern haben Sie das Mädchen noch lebend gesehen? Vor dem Hanseviertel? So um die Mittagszeit herum?«
    Max nickte erschöpft. Er spürte die Kälte in sich aufsteigen und unterdrückte nur mit Mühe ein Händezittern. Seit dem Blick auf den entstellten Schädel herrschte in seinen Innereien Eiszeit. Dass die Schiebetür des Polizei-Bullies, auf dessen Rückbank er saß, weit offen stand und der Wind den Nieselregen hineinfegte, machte es nicht besser.
    »Russischer Akzent, und sie saß in Ihrer Fahrradrikscha. Wo wollte sie hin?«
    Max zuckte wortlos mit den Schultern. Der Mann von der Mordkommission schien von dieser Geste nicht gerade erbaut zu sein. Sein Blick musterte den jungen Studenten abschätzend. Max ignorierte das und sah hinaus durch die offene Schiebetür. Auf der Holzbrücke standen etliche Polizeiwagen mit zuckenden Blaulichtern. Hinter einer Absperrung aus Flatterband hielten ein paar Uniformierte die Schaulustigen- und Pressemeute auf Abstand, während unten ein Trupp Polizisten mit langen Stangen im Schlick des Nikolaifleets herumstocherte.
    Max erinnerte sich dunkel, laut aufgeschrieen zu haben, als der Schädel zu seinen Füßen ausrollte. Ein paar Kommilitonen waren sofort herbei gerannt, dann auch Straschitz und die anderen. Sekunden später hingen etliche Studenten über dem Brückengeländer und übten Synchronreihern, während der Professor mit fliegenden Händen sein Handy aus der Tasche gefischt und die Polizei alarmiert hatte. Keine drei Minuten später kam das erste Blaulicht um die Ecke geprescht, und nur weitere drei Minuten darauf war das Chaos aus hektischen Uniformierten, hysterischen Studenten und sensationslüsternen Passanten auf dem Höhepunkt gewesen. Erst der Mann von der Mordkommission hatte mit energischer Autorität in dem Gewusel für Übersicht gesorgt – die meisten Studenten nach kurzer Befragung nach Hause geschickt und den Suchtrupp ins Fleet beordert. Und Max in den VW-Bus gebeten, um sich von ihm mehrmals in aller Ausführlichkeit die Umstände des schrecklichen Fundes erklären zu lassen. Kommissar Hesse, fiel es Max wieder ein. So hatte sich der Kripomann vorgestellt. Hesses Augen waren von einem eisigen Hellblau. Guckt der mich nun an oder durch mich hindurch, fragte sich Max unwillkürlich. Vielleicht ist es ja auch bloß eine Masche. Verunsicherungstaktik.
    »Warum ist das Mädchen nicht mit Ihnen gefahren?«
    »Weil ich schon eine Kundin hatte!

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