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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter
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keine Silbe zu verpassen. »Um was ging es bei dem Streit?«
    »Weiß ich nicht«, gab Struck zu, »aber so hab’ ich die beiden noch nie erlebt!«
    Blödes Bein. Kribbelte wie verrückt. Elke bewegte es vorsichtig.
    »Interessant…«
    Elke trat mit rechts auf, das taube Bein knickte unter ihr weg. Wuchtig knallte ihr Körper gegen die Stahltür, und bevor sie sich abfangen konnte, wurde die Tür von außen aufgerissen. Wie eine Kanonenkugel schoss sie ins Treppenhaus. Bronstein sprang reaktionsschnell beiseite – dafür musste Struck dran glauben: Mit elementarer Lawinengewalt fegte Elke den schmächtigen Nachbarn von den Beinen und begrub ihn unter ihren Massen, bevor er auch nur quieken konnte. Vereinte Polizeikräfte rissen sie von dem jämmerlich nach Luft schnappenden Struck herunter.
    »Das Fräulein Straschitz«, stellte Hesse süffisant fest. »Wie nett. Was haben Sie denn im Keller gesucht?«
    »Bei Max macht keiner auf! Dachte ich mir: Guckst du mal im Keller nach…«
    Bronstein half dem benommenen Struck auf die Beine und erkundigte sich fürsorglich: »Sie Ärmster. Hoffentlich ist nichts gebrochen?«
    »Danke, mir geht’s gut!« schnaubte Elke verärgert. »Würden Sie nicht Ihre Nase hinter jede Tür stecken, wäre gar nichts passiert!«
    Bronstein fuhr unwillkürlich einmal mehr mit den Fingern in Richtung ihres aparten Riechorgans, fing diese Verlegenheitsgeste auf halber Strecke ab und wies statt dessen auf den Koffer, der hinter der offenen Stahltür zu sehen war. »Ziehen Sie hier ein?«
    »Mal sehen, was sich so ergibt«, gab Elke schnippisch zurück.
    »Ich geh dann mal…« röchelte Struck. Hesse nickte generös, der schmächtige Kerl schleppte sich die Treppen hoch. Der Kommissar wandte sich Elke zu.
    »Ich nehme an, Sie haben gut zugehört, bevor Sie… so ungestüm zu uns stießen?«
    Elke nickte stumm.
    »Hat Herr Harder Ihnen von seiner Auseinandersetzung mit seinem Freund Oleg erzählt?«
    »Hat er nicht!« empörte sich Elke. »Fragen Sie ihn doch selber!«
    »Was für eine glänzende Idee. Und gut, das uns das mal jemand sagt! Auf Wiedersehen, Fräulein Straschitz.« Der Kommissar öffnete die Haustür und trat hinaus. Bevor Bronstein ihm folgen konnte, legte Elke nach.
    »Wirklich total daneben, wie Sie hinter Max’ Rücken herumspionieren! Warum tun Sie das?«
    »Mal sehen, was sich so ergibt«, versetzte Bronstein von oben herab und ließ das dicke Mädchen stehen. Elke sah dem Kripo-Duo nach, bis sie in ihren Wagen stiegen und verschwanden. Dann zog sie ihren Koffer zurück ins Treppenhaus, setzte sich darauf und kam sich doof vor.
    Was allerdings im Großen und Ganzen ihrem vertrauten Lebensgefühl entsprach.
    Am Postamt Kaltenkirchener Platz schaltete Max endlich einen Gang herunter und verringerte die Trittfrequenz. Trotz des hohen Tempos, das er von Osdorf bis hierhin durchgezogen hatte, war er kaum außer Atem. Mittlerweile war er fast süchtig nach solchen Gewaltfahrten – gerade, wenn es gleichzeitig viel zu überlegen und zu verarbeiten galt. Pedalarbeit als Denkhilfe. Wie ließen sich Hamid möglichst unauffällig Informationen über das Cabrio mit den goldenen Felgen entlocken? Der sonst so kultivierte Mechaniker hatte schon gestern ungewöhnlich barsch auf Max’ Frage bezüglich des Wagens reagiert, ihn einfach darauf anzusprechen wäre sicher zwecklos. So sehr Max auch sinnierte und pedalte, die elegante Lösung dazu fiel ihm nicht ein. Klappte eben nicht immer. Sonst wären ja auch Hamster im Laufrad die größten Denker vor dem Herrn, befand Max und entschied sich dafür, einfach auf gut Glück direkt zu Hamids Werkstatt zu fahren. Als Aufhänger für den Besuch ließen sich die von der Schussfahrt durch den Hirschparktunnel verbogenen Seitenbleche des Gelben Ungetüms nutzen, und alles Weitere würde man eben improvisieren müssen.
    Max lenkte die Rikscha durch den Torweg, der zu Hamids Werkstatt führte. Über dem Hinterhof lag sonntägliche Stille. Falls es in der Nachbarschaft Kinder gab, zogen sie sich vermutlich gerade auf RTL II eine Überdosis TV-Schund rein oder dirigierten bluttriefende Kettensägenmörder über die Monitore ihrer Spielkonsolen. Hier draußen zwischen der verfallenen Lagerhalle, den Garagen mit ihren rostigen Metalltoren und Hamids Werkstatt befand sich jedenfalls niemand außer ihm. Die Flügeltüren der niedrigen Baracke waren geschlossen.
    Warum nicht, dachte Max und parkte die Rikscha hinter einem Müllcontainer, es ist Sonntag

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