Der Ring
Die hohen Gebäude glühten, wo Sonne auf Glastik traf, in allen Regenbogenfarben wie künstliche Blumen, und Hubhüpfer in Kontrastfarben schwebten wie Libellen daneben. Die graziösen Bänder der Hochstraßen wanden sich dazwischen und darüber, und die Kreiselwagen darauf sahen wie Marienkäfer aus. Ein Wirbelwind von Hüpfern stieß auf eines der Monsterhotels hinab; sie wurden aus dem umgebenden Himmel hinuntergesaugt, als sei dort ein Loch in der Atmosphäre.
Pamela konnte die einzelnen Bürger auf den Fußgänger-Ebenen nicht erkennen, wußte aber, daß sie da waren – gemeinschaftlich lebenden Termiten gleich.
Jenseits des Flusses lag Gunnardorf in seinem häßlichen, faszinierenden Verfall; auch das badete die Sonne in ihren Strahlen, aber es war nicht heimatlicher als ein ferner Dunghaufen. Wo war gleich diese Kneipe, der Leichtfuß-Palast, wo sie bei dem Sabbat mitgemacht hatte? Ein schmieriger kleiner Schuppen; aber das gehörte ja zu seinem Reiz.
„Pamela“, sagte McKissic mit müdem Gesicht.
Jetzt kam es. Die Predigt. Sie hätte mit ihren Worten vorsichtiger sein müssen – oder wenigstens zuerst die Funkeinrichtung des Duowagens außer Gefecht setzen. Na ja, das ging auch vorbei.
„Ob ich dich beringen lasse, Pamela?“ fragte er.
Es wurde ihr mit Grauen klar, daß er die Frage ernst meinte. Und er konnte das auch. Er und Richter Crater hielten zusammen wie Pech und Schwefel. Er mußte sich bereits entschieden haben. Nichts, was sie jetzt noch zu sagen vermochte, konnte seine Entscheidung nach irgendeiner Richtung noch beeinflussen.
„Wenn du eine Beringte zur Tochter willst“, sagte sie. „Du weißt wohl, was passiert, falls ich je unter Wahr-Wahr stehe. Wäre ein bißchen schlecht fürs Geschäft, nicht wahr?“
Aber das war nur Bravour. Sie wußte, daß er sein Geschäft in den Bankrott treiben würde, wenn er genügenden Anlaß dafür sah. Er war für Drohungen einfach nicht anfällig.
Er blieb bewegungslos. „Du glaubst, daß ich meinen Partner aufs Kreuz gelegt und seinen Sohn beringt habe, um meine Geschäftsinteressen zu schützen?“
„Nun, das glaubt immerhin der Beringte, Vatilein. Und du willst dich nicht unter Wahr-Wahr setzen lassen, um es zu widerlegen. Und ich weiß, wie du mit Frauen bist. Vielleicht war nicht nur Geschäft im Spiel. Ich höre, daß die Mutter des Beringten, Ronda Font, ein stattliches Stück war. Du hast ziemlich eng mit ihr zusammengesteckt. Hat sie deshalb versucht, dir dieses Zeug ins Gesicht zu schütten? Auf eine Sekretärin mehr oder weniger kommt es nicht an, vermute ich – aber die Frau deines Partners …“
„Du hast ein verzerrtes Bild von der Lage, Pamela.“
Sie lachte: es klang eine Spur hysterisch. „Oh, Vatilein!“
McKissic ließ sich davon nicht anfechten. Das war ein Wesenszug, den er mit dem Chauffeur gemeinsam hatte. „Die Schwierigkeit mit Wahr-Wahr, Pamela, besteht daraus, daß es so absolut wirkt. Die ganze Wahrheit kommt heraus. Ich habe Verpflichtungen, die vertraulich bleiben müssen. Was du über mich zu wissen glaubst, könnte sich als peinlich herausstellen, falls es veröffentlicht wird – aber ich versichere dir, die Allgemeinen Kreiselmotoren würden es glatt überstehen. Was dagegen ich weiß, kann eine Industrie zerstören und zu allgemeiner wirtschaftlicher Anarchie führen. In der Zeit, die mir noch bleibt; muß ich tun, was ich für richtig halte.“
„In der Zeit, die dir noch bleibt?“
„Es scheint, als wäre deine kleine Geschichte über mein Ableben nicht so weit hergeholt. Ich werde den Allgemeinen Kreiselmotoren nicht mehr lange vorstehen.“
„Aber Leukämie ist doch heilbar!“
„Leukämie ja. Das hier nicht.“
Sie blickte wieder hinaus über die Stadt, aber jetzt waren die allzu vertrauten Gebäude abstoßend. Die Hüpfer waren wie Fruchtfliegen, die sich auf schwärende Stiele setzten, die Schnellstraßen wie girlandenförmige Spinnweben. „Hast du mich deshalb hierher gebracht?“
„Zum Teil, Pamela. Um dir gewisse Informationen zu geben und um eine kritische Anmerkung zu machen. Ich muß es jetzt tun, solange ich dazu imstande bin.“
„Nicht nur, um mir wieder einen Vortrag zu halten, daß ich die Leute nicht reizen soll?“
„Die meisten dieser Leute können auf sich selbst aufpassen. Ich bin zuversichtlich, daß du noch entdecken wirst: Ethisches Verhalten zahlt sich aus. Solltest du es nicht entdecken, wird dir irgendwann der Ring dabei helfen.“
„Du wirst mich von
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