Der Riss im Raum
fragte Sandy.
»Das gehört nun einmal zu seinem Beruf«, stellte Dennys fest und sagte im selben Atemzug: »Mutter, in der Soße ist zu wenig Pfeffer.«
»Er war in diesem Herbst fast nie da. Ein ordentlicher Vater bleibt daheim, bei seiner Familie. Ich finde die Soße ganz in Ordnung.«
»Natürlich ist sie in Ordnung. Ich mag sie aber lieber, wenn sie recht scharf ist.«
Meg hatte an Wichtigeres zu denken als an Spaghetti, obwohl sie sich soeben Parmesan auf den Teller häufte. Sie fragte sich insgeheim, wie Mutter darauf reagieren würde, wenn Charles Wallace ihr von seinen Drachen erzählte. Falls es nämlich tatsächlich auf der oberen Wiese Drachen gab – oder zumindest Vergleichbares – hatten ihre Eltern immerhin ein Recht darauf, das zu erfahren.
Sandy sagte: »Wenn ich groß bin, werde ich Bankier und scheffle Geld. Einer von uns muß ja realistisch bleiben.«
»Das soll natürlich nicht heißen, daß die Wissenschaft unrealistisch wäre«, räumte Dennys ein. »Aber Vater und du, ihr seid keine praktischen, sondern theoretische Wissenschaftler.«
»So weltfremd sind wir nun auch wieder nicht«, protestierte Frau Murry. »Das weißt du sehr gut, Sandy.«
»Wer tagelang nur ins Elektronenmikroskop guckt oder dem Piep-Piep eines Mikro-Sonars lauscht, kann einfach nicht praktisch denken«, sagte Sandy trocken.
Dennys griff den Faden auf. »Ihr schaut euch bloß Sachen an, die sonst keiner sieht, oder hört auf Geräusche, die sonst keiner vernimmt, und zerbrecht euch endlos darüber den Kopf.«
Meg kam Mutter zu Hilfe. »Es wäre ganz gut, würden sich mehr Leute den Kopf zerbrechen. Wenn Mutter sich nur lange genug über eine Sache Gedanken macht, läßt sich das immer irgendwie in die Praxis umsetzen. Wenn nicht von ihr, dann von ändern.«
Charles Wallace schüttelte belustigt den Kopf. »Ist denn nur sinnvoll, was sich tatsächlich verwirklichen läßt?«
Mutter nickte.
»Dann ist es sinnvoll, daß Mutter in ihrem Labor sitzt und nachdenkt. Oder daß Vater wochenlang über einer einzigen Gleichung brütet und sie dann womöglich ausgerechnet auf das Tischtuch schreibt. Seine Gleichungen sind sinnvoll und praktisch, weil ihnen hinterher jemand praktischen Sinn geben kann.« Als hätte er einmal mehr Megs Gedanken erraten, griff er in die Tasche und zeigte den Zwillingen die Drachenfeder. Sie glänzte und schimmerte geheimnisvoll im Licht der Lampe. »Also gut. Nun verratet mir einmal, ihr beiden weltgewandten Praktiker, was das ist.«
Sandy, der neben Charles Wallace saß, warf einen Blick darauf und sagte: »Das ist eine Feder.«
Dennys stand auf und ging um den Tisch, um sie besser betrachten zu können. »Laß sehen.«
Charles Wallace hielt ihnen das glitzernde Etwas vor die Nase. »}a, aber was für eine Feder ist es?«
»He! Die sieht aber komisch aus!« Sandy berührte sie mit der Fingerspitze. »Das kann doch keine Vogelfeder sein!«
»Warum nicht?« wollte Charles Wallace wissen.
»Weil die Spindel anders gestaltet ist.«
»Die was?« fragte Meg.
»Die Spindel. Hier unten, beim Kiel. Sie sollte hohl sein, ist aber kompakt. Außerdem sieht sie metallisch aus. Woher hast du das Zeug, Charles?«
Charles Wallace reichte die Feder seiner Mutter, die sie ausgiebig betrachtete. »Sandy hat recht. Die Spindel läßt nicht auf einen Vogel schließen.«
»Was ist es dann?« rief Dennys.
Charles Wallace nahm die Feder wieder an sich und steckte sie in die Tasche. »Sie lag auf der oberen Wiese, unter den Felsen. Nicht nur die eine. Es liegen noch mehr dort.«
Meg kicherte und bemühte sich, nicht hysterisch zu klingen. »Charles und ich meinen, es könnte Drachenlosung sein.«
»Drachenkot«, stöhnte Sandy, als hätte man ihn zutiefst in seiner Ehre gekränkt.
»Unsinn!« sagte Dennys und fragte gleich darauf Mutter: »Weißt du, was das sein könnte?«
Frau Murry verneinte. »Was meinst du, Charles?«
Wie fast immer in solchen Situationen, blieb Charles Wallace in sich gekehrt. Als Meg schon meinte, er werde ihnen die Antwort ganz schuldig bleiben, sagte er schließlich zögernd: »Jedenfalls ist es etwas, das es in der realen und so praktischen Welt von Sandy und Dennys nicht gibt. Sobald ich mehr herausgefunden habe, lasse ich es euch wissen.« Das klang ganz nach Mutter.
»Auch gut.« Dennys interessierte sich nicht weiter für die Feder. »Hat Vater dir verraten, warum er Hals über Kopf nach Brookhaven mußte, oder ist das wieder einmal top secret?«
Frau Murry strich
Weitere Kostenlose Bücher