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Der Riss im Raum

Der Riss im Raum

Titel: Der Riss im Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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mitzubringen! Das hättest du dir besser überlegen sollen. Aber ich verstehe dich ja: Du dachtest, es würde dein Ansehen in der Klasse heben und dich in den Augen deiner Mitschüler endlich auf gleiche Stufe stellen. Ja, im Kreise Gleichaltriger erfolgreich zu sein, ins Kollektiv einzugehen, das beglückt. Ich werde demnach alle Unterschiede beseitigen, bis sämtliche Kinder sich unter meiner Obhut gleichwertig fühlen. Also müssen wir Charles helfen, sich besser der Norm anzupassen, selbst wenn er zu diesem Zweck vorübergehend einer anderen Schule zugeteilt wird. Wenn ich recht informiert bin, interessiert sich jemand aus einem anderen Sonnensystem für ihn. Das wäre doch fürs erste eine brauchbare Lösung.«
    Meg blickte Jenkins Nummer eins an. Der zuckte andeutungsweise mit den Schultern – eine typische Jenkins-Gebärde – und sagte, leicht angewidert: »Ich glaube nicht, daß sich meine Haltung gegenüber Charles Wallace in naher Zukunft wesentlich ändern wird. Warum zur Lösung unserer irdischen Probleme interplanetarische Irrfahrten erforderlich sein sollten, ist mir ein Rätsel. Wir haben Menschen auf den Mond und Raumsonden auf den Mars geschickt, ohne daraus ernsthaft klüger geworden zu sein. Mir ist unerfindlich, wieso ausgerechnet Charles Wallace davon profitieren soll, daß man ihn ein paar Milliarden Lichtjahre quer durchs Weltall jagt. Unerfindlich, in der Tat. Abgesehen natürlich von seiner damit verbundenen körperlichen Ertüchtigung, für die sich allerdings außer mir ohnedies niemand zu interessieren scheint.« Er blickte auf seine Uhr. »Wie lang dauert diese Farce eigentlich noch?«
    Meg spürte, wie der Cherubim aufgebracht und hartnäckig gegen ihre Gedanken pochte, bis es schmerzte, wollte jetzt aber nichts von ihm hören.
    »Stimmt!« rief sie. »Es ist die reinste Zeitvergeudung. Warum soll ich mich mit einem dreifachen Jenkins herumschlagen? Was hat das alles mit Charles Wallace zu tun?«
    Louise die Große schlängelte sich dicht an Megs Ohr. Ihr Atem war kühl und sanft. »Ssehr viel! Ssehr viel!« schien sie zu zischeln.
    Und Proginoskes ließ sich nicht länger abweisen. »Du brauchst nicht alles zu wissen«, sagte er. »Mach endlich weiter!«
    »Bitte gib mir Louise zurück!« bat Charles Wallace müde. »Meg, ich möchte nach Hause.«
    »So weit kannst du nicht gehen.«
    »Wir lassen uns eben Zeit.«
    »Ich sagte doch bereits, daß ich dich mit dem Wagen heimbringe!« erklärte der dritte Jenkins beleidigt. »Meinetwegen kann die Schlange mitkommen – aber nur auf dem Rücksitz.«
    Die Jenkinse Eins und Zwei widersprachen gleichzeitig: »Nein, ich bringe Charles Wallace und die Schlange zurück.«
    Charles Wallace streckte den Arm aus, und Louise löste sich von Meg und glitt zu ihm hinüber.
    »Fahren wir!« sagte er zu den drei Männern und ging voran, dem Parkplatz entgegen. Der dreifache Jenkins folgte in Reih und Glied, im Gleichschritt – steif und schlurfend, wie Herr Jenkins eben zu gehen pflegte.
    »Bei wem wird Charles jetzt bleiben?« fragte Meg Proginoskes.
    »Beim wirklichen Herrn Jenkins.«
    »Und wie weiß er … ?«
    »Ich glaube, sobald sie um die Ecke biegen, verschmelzen sie vorübergehend wieder zu einer Gestalt. Das verschafft uns wenigstens eine kleine Verschnaufpause.« Der Cherubim begann sich zu materialisieren. Erst schimmerte er, dann wurde er eine transparente Kontur, die sich körperhaft ausweitete, und zuletzt stand er in voller Größe und Absonderlichkeit vor ihr, während sich die drei Jenkinse immer weiter entfernten. »Du darfst keine Zeit verlieren!« dachte er ihr ungeduldig zu. »Du mußt überlegen. Fällt dir zu Herrn Jenkins denn gar nichts Nettes ein?«
    »Etwas Nettes? Nein! Hör mal, vielleicht sind sie alle drei bloß Attrappen! Vielleicht kommen sie gar nicht zurück.«
    Wieder der nagende Schmerz in Megs Gedanken. »Du machst es dir zu leicht. Einer von ihnen muß es sein, und aus irgendeinem Grund ist er für uns wichtig. Denk nach, Meg! Du weißt bestimmt etwas Gutes über ihn.«
    »Ich will aber gar nichts Gutes über ihn wissen!«
    Jetzt denkst du wieder nur an dich. Denk lieber an Charles. Der wirkliche Herr Jenkins kann ihm helfen.«
    »Wie denn?«
    »Das zu erkennen ist im Augenblick unerheblich, Meg. Hör auf, mich abzublocken! Unsere einzige Chance ist, daß du mich mit dir kythen läßt.« Sie fühlte, wie er sich in ihre Gedanken drängte: hartnäckig, aber nicht mehr so schmerzhaft verbohrt wie zuvor. »Du

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