Der Riss im Raum
mich in Erstaunen.«
Diesmal schämte sich der Cherubim wirklich. Er versteckte sämtliche Augen hinter seinen Flügeln – bis auf drei: je eines für Blajeny, für Meg und für den reglosen Herrn Jenkins.
Blajeny wandte sich an Meg. »Mein Kind, ich bin sehr zufrieden mit dir.«
Meg errötete. »Sollten wir uns nicht um Herrn Jenkins kümmern?« sagte sie, um von sich abzulenken.
Blajeny kniete sich auf den schmutzigen Boden. Seine großen, dunklen Finger spreizten sich und berührten Herrn Jenkins sanft an den Schläfen. Das sonst so graue Gesicht des Schulleiters war kreidebleich. Sein Körper zuckte krampfhaft; er öffnete die Augen, schloß sie aber sofort wieder und stöhnte.
Meg war vor Anspannung und Erleichterung immer noch ganz verwirrt. Sie wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. »Blajeny«, sagte sie, »bedenken Sie auch, daß der arme Herr Jenkins bei ihrem Anblick nicht weniger erschrecken muß, als wenn er Progo sieht?« Jetzt kniete auch sie sich zu ihm. »Herr Jenkins! Ich bin es, Meg. Sie mögen mich nicht, aber mich kennen Sie wenigstens. Schauen Sie mich an. Es ist alles in Ordnung. Wirklich.«
Langsam, vorsichtig, blinzelte er ihr zu und flüsterte: »Ich muß mir einen Termin beim Psychiater geben lassen.«
Meg sprach begütigend, wie zu einem kleinen Kind, auf ihn ein. »Das sind keine Hirngespinste, Herr Jenkins. Ehrenwort. Das sind Freunde. Sie heißen Blajeny und Progo. Und sie sind wirklich ganz wirklich.«
Herr Jenkins kniff die Augen zu, öffnete sie wieder und starrte Meg an.
»Blajeny ist ein Lehrmeister, und Progo ist ein – also, er ist ein Cherubim.«
Verständlicherweise reagierte Herr Jenkins darauf mit ungläubigem Staunen. »Entweder bin ich im Begriff, einen Nervenzusammenbruch zu erleiden – was kein Wunder wäre —, oder mir träumt. Ja, das wird es sein: ich schlafe.« Mit Megs Hilfe setzte er sich mühsam auf. »Was hast aber du in meinem Traum zu suchen? Und warum liege ich auf dem Boden? Hat man mich niedergeschlagen? Ich würde es den älteren Schülern, diesen Rowdies, durchaus zutrauen, mich … « Er suchte Gesicht und Kopf nach Verletzungen ab. »Wie kommst du hierher, Margaret? Oh, ich beginne mich zu erinnern … « Sein Blick wanderte vorsichtig zu Blajeny und Proginoskes. Herr Jenkins zuckte zusammen. »Die beiden sind ja noch immer da! Nein. Noch träume ich. Warum wache ich nicht auf? Das gibt es nicht! Das kann es nicht geben!«
»Was ist wirklich, was ist Schein?« ahmte Meg Blajeny nach. Sie schaute zu ihm auf, aber der achtete nicht mehr auf Herrn Jenkins. Als sie seinem Blick folgte, sah sie, daß Louise sich ihnen rasch näherte.
Wieder durchlief Herrn Jenkins ein Schauder. »Die Schlange! Schon wieder! Und ich habe doch eine Abneigung gegen Schl … «
»Louise ist ein Schatz!« versuchte Meg ihn zu beruhigen. »Sie krümmt Ihnen kein Haar.«
»Schlangen.« Herr Jenkins schüttelte den Kopf. »Schlangen und Monster und Riesen … Unmöglich, einfach unmöglich.«
Blajeny hatte indessen mit Louise der Großen kurz Zwiesprache gehalten; jetzt wurde sein Ton drängend: »Wir müssen sofort aufbrechen. Die Echthroi rasen vor Wut. Die Mitochondritis von Charles Wallace ist akut ausgebrochen.«
»Oh, Blajeny, dann bring uns rasch nach Hause!« rief Meg. »Ich will zu Charles!«
»Dafür bleibt uns keine Zeit. Wir müssen sofort nach Metron Ariston.«
»Wohin?«
Ohne ihre Frage zu beantworten, wandte sich Blajeny von Meg ab und Herrn Jenkins zu. »Und Sie, wollen Sie in Ihr Schulhaus zurück und dort Ihren Alltagsgeschäften nachgehen? Oder schlagen Sie sich auf unsere Seite und kommen mit?«
Herr Jenkins war total verwirrt. »Ich habe einen Nervenzusammenbruch!« flüsterte er.
»Nein. Sie wurden lediglich mit einigen Vorgängen konfrontiert, die das Maß Ihrer bisherigen Erfahrung übersteigen. Das bedeutet noch lange nicht, daß es sie – und uns – nicht gibt.«
Meg fühlte mit einemmal, und durchaus gegen ihren Willen, Mitleid mit diesem unattraktiven, farblosen Menschen, den sie benannt hatte. »Herr Jenkins, wollen Sie Ihrer Sekretärin nicht einfach sagen, daß Sie sich nicht wohl fühlen, und mit uns kommen?«
Jenkins breitete in einer hilflosen Gebärde die Arme aus. »Waren da – da waren doch – zwei andere – Männer, die mir – ähnlich sahen … «
»Ja, die waren da. Aber jetzt sind sie fort.«
»Was ist aus ihnen geworden?«
Meg wandte sich fragend an Blajeny.
Der Lehrmeister machte ein ernstes
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