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Der Riss im Raum

Der Riss im Raum

Titel: Der Riss im Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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wahr gemacht. » Herr Jenkins, ich mag Sie. «
    Es war nicht gelogen.
    Sie mochte ihn. Sie konnte ihn leiden. Sie fand ihn liebenswert. Sie empfand liebevolle Zuneigung für ihn.
    Ohne zu zögern, kythete sie ihm ihre Hand entgegen. Seine Finger waren feucht und kühl. So, so und nicht anders, hatte sie sich immer schon den Händedruck von Herrn Jenkins vorgestellt.
    Und diesmal hatte sie sich nicht geirrt.

Yadah
    N atürlich fühlte sich die Hand von Herrn Jenkins feucht an. Er mußte ja vor Angst schlottern. »Tu so, als ob … « und »Was wäre, wenn … ?« zu spielen, hatte er vor Jahrzehnten aufgegeben.
    »Herr Jenkins, wie geht es Ihnen?«
    Sie fühlte ein hilfloses, tappendes Kythen – das erschrockene Eingeständnis der Unfähigkeit, die Tatsachen hinzunehmen: daß sie sich wirklich in Yadah befanden, in einer Körperzelle, in Charles Wallace. »Wie lang sind wir schon hier?«
    »Keine Ahnung. Es ist soviel geschehen. Progo, bist du sicher, daß für uns hier die Zeitrechnung der Farandolae gilt, nicht unsere gewohnte Erdzeit?«
    »Ganz sicher.«
    »Gut!« Erleichtert erklärte sie Herrn Jenkins: »Das bedeutet, daß die Zeit draußen um vieles langsamer abläuft als hier, um sehr vieles langsamer. Das Herz von Charles Wallace schlägt, umgerechnet, nur alle zehn Jahre einmal.«
    »Trotzdem haben wir keine Zeit zu verlieren«, warnte Proginoskes.
    Wieder ließ er sie Charles Wallace sehen: das Gesicht aschfahl, die Augen geschlossen, der Atem flach und schwer. Darüber: Mutters Gesicht, gezeichnet von Angst und Sorge. Daneben: das Gesicht von Dr. Louise; aufmerksam, abwartend. Ihre Hand umfaßte locker das Handgelenk von Charles Wallace …
    »Ich weiß«, erwiderte Meg dem Cherubim. »Die Zeit wird knapp.« Jetzt mußte sie alle Kraft aufbieten, mußte so viel Härte und Willensstärke zeigen, daß auch Charles Wallace davon zehren konnte. Sie gebot ihren Gedanken, ruhig und ausgeglichen zu werden, aufnahmebereit …
    Und dann öffnete sie sich erneut Herrn Jenkins. Konfuse Signale, die man kaum als Kythen bezeichnen konnte, schwappten heran wie Brackwasser; aber immerhin erkannte Meg, daß Herr Jenkins sie tiefer in sein Inneres blicken ließ, als je zuvor, als je einen anderen Menschen. Meg spürte mit ihm, welche Schauder an seinem Verstand rüttelten, als er versuchte, das Außergewöhnliche zu begreifen: daß er einerseits er selbst geblieben war, sich aber andererseits als unvorstellbar winziges Teilchen ausgerechnet im Inneren jenes Kindes befand, mit dem er in der Schule die größten Probleme hatte.
    Meg versuchte, ihm auf möglichst schonende Weise beizubringen, daß ihnen zumindest einer der beiden Echthroi-Jenkinse nach Yadah gefolgt war. Es fiel ihr schwer, denn sie selbst erinnerte sich nur mit Schrecken an ihre Begegnung mit dem Echthros; aber wie sonst konnte sie Herrn Jenkins helfen, sich zurechtzufinden? Seine erste Reaktion war Verwirrung, dann Angst – und schließlich ein überraschender Ausruf zärtlicher Sorge: »Es sollte dir nicht auferlegt sein, solchen Qualen ausgesetzt zu werden, Margaret!«
    »Das war noch nicht alles«, gestand sie. Das Schwerste stand ihr erst bevor, nämlich, ihm verständlich zu machen, daß sie ihre Rettung einigen kleinen Farandolae verdankte, diesen verspielten, überall herumtänzelnden kleinen Wesen – und daß die sich für Meg geopfert hatten.
    Herr Jenkins stöhnte.
    Proginoskes bat sie, ihrem Schulleiter zu übersetzen: »›Das war immer noch besser, als wenn der Echthros sie geext hätte. Sie sind auf diese Weise unverändert ein Teil der Schöpfung geblieben.« Das wollte sie selbst von Proginoskes genauer erläutert haben. »Wenn die Echthroi jemanden exen oder wenn jemand sich selbst ext, ist das für immer und ewig?«
    Der Cherubim umfing sie mit der Dunkelheit seiner eigenen Unkenntnis. »Aber das müssen wir auch gar nicht erfahren!« tröstete er Meg, und das Dunkel verwehte. »Ich bin ein Cherubim. Mir genügt es zu wissen, daß alle Sterne aller Galaxien, daß alle Geschöpfe, die irdischen, die himmlischen und die organischen – wie Farandolae —, daß sie alle, alle benannt wurden und daher namentlich bekannt sind.« Die Erklärung war ihm beinahe zum Lobgesang geraten.
    Meg blieb sachlich. »Also gut«, kythete sie ihm zu. »Du bist Progo. Ich bin Meg. Er ist Herr Jenkins. Und wie geht es jetzt mit uns weiter?«
    Proginoskes kehrte aus seinen Träumen zurück. »Fürs erste muß Herr Jenkins begreifen, was eine Farandola

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