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Der Riss

Der Riss

Titel: Der Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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zugesehen, der entsetzliche Geruch ihrer Zutaten hatte ihn fast in Panik versetzt.
    Der zugelötete Farbeimer war vollgestopft mit dem Schwarzpulver aus etlichen Kanonenschlägen. Er diente einem einfachen Zweck: einen möglichst lauten Knall zu verursachen.
    Dess hatte ausgerechnet, dass seine Schockwelle Autoalarme meilenweit in jede Richtung auslösen würde, die auf dieser Seite der Stadt überall Leute aufwecken sollten.
    Wenn das funktionieren sollte, müssten sie sie allerdings in den nächsten vier Minuten zünden, bevor die lange Midnight eintraf.
    „Ich fasse sie hier an“, sagte er.
    „Kommt nicht infrage. Mein Spielzeug.“
    Sie hob sie mit beiden Händen hoch und trug sie vorsichtig in den Regen hinaus. Immer noch humpelnd folgte Rex ihr zu einer Ecke des Dachs, wo ein Funkverstärker lag, eine anderthalb Meter lange Antenne, die auf die Vorstädte ausgerichtet war. Dess balancierte die Bombe obendrauf aus. Sie hatte Rex erklärt, dass sie hoch in die Luft fliegen müsste, damit die Schockwelle nicht vom Dach abgefangen wurde, bevor sie sich über Bixby ausbreiten konnte.
    „Okay. Lass mich das machen“, sagte er.
    Dess betrachtete die Bombe eine Weile, dann nickte sie. „Ist mir recht. Aber wenn die Zündschnur zu schnell anbrennt, dann renn wie der Teufel.“ Sie hielt inne. „Weißt du was? Am besten rennst du wie der Teufel, egal was passiert.“
    Rex holte tief Luft und zog sein Feuerzeug hervor. Sein Fuß pochte inzwischen dumpf, im Takt mit dem zunehmenden Tempo seines Herzschlags.
    Er beugte sich vor und zündete die lange, pendelnde Zündschnur an. Sie begann, Funken zu sprühen, die langsam in Richtung Farbeimer aufwärts wanderten.

    „Alles klar, weg hier“, sagte Dess.
    Er beobachtete das Feuer lange, um sicherzugehen, dass es nicht vom Regen gelöscht wurde, fasziniert von dem Funkenregen, der in einem kleinen Schweif vom Wind weitergetragen wurde.
    „Rex!“, rief sie von der anderen Seite des Dachs. „Komm schon!“
    Dann ertönte ein Donnerschlag über ihnen, und Rex glaubte für den Bruchteil einer Sekunde, die Bombe wäre hochgegangen. Er taumelte nach hinten auf seinem bösen Fuß, drehte sich vor Schmerzen fluchend um und humpelte hinter Dess her. Sie kauerten sich am äußersten Ende des Dachunterstands zusammen.
    „Bist du sicher, dass uns hier hinten nichts passieren wird?“, fragte er.
    „Meine Recherche hat ergeben, dass es zwei Möglichkeiten gibt, von einer Bombe getötet zu werden: umherfliegende Teilchen, vor denen uns dieser Unterstand schützen kann, und die Schockwelle. Mein kleines Baby ist nicht stark genug, um uns die Köpfe wegzureißen, du solltest dir aber gut die Ohren zuhalten, wenn du nicht taub werden willst.“ Um den letzten Punkt zu unterstreichen, legte sie beide Hände flach an ihren Kopf.
    Rex sah auf seine Uhr. Nur noch etwas mehr als eine Minute.
    Dann kam ihm ein entsetzlicher Gedanke. Sie hatten die langsamste Zündschnur ausgesucht, die sie finden konnten, davon eineinhalb Meter für die größtmögliche Zeitspanne. Sie hatten aber bereits Zeit verloren, als sie die Tür eintreten mussten …
    „Was hast du gesagt, wie lang die Zündschnur brauchen würde?“, fragte er.

    „Ungefähr anderthalb Minuten.“
    „Schön. Wir haben noch eine Minute bis Mitternacht.“
    „Echt?“ Sie sah auf ihren GPS-Empfänger. „Scheiße, Rex, wir haben zu lange gebraucht!“
    „Die Bombe wird trotzdem vor Mitternacht hochgehen.“
    Dess schüttelte den Kopf. „Schockwellen bewegen sich mit Schallgeschwindigkeit, Rex, und das ist langsam – fast fünf Sekunden für eine Meile. Die Schockwellen müssen bis an den Stadtrand, und dann müssen die Autosirenen lang genug heulen, um die Leute zu wecken. Das dauert alles noch mal Sekunden, die wir nicht haben!“
    Rex holte tief Luft, dann schielte er um die Ecke des Unterstands.
    Etwa ein Drittel der Zündschnur war heruntergebrannt.
    Dess hatte recht. Er hatte sie zu spät angezündet.
    Nach einer Sekunde panischer Überlegung fluchte Rex wieder, dann hoppelte er zur Bombe zurück, mit dem gezückten Feuerzeug.
    „Rex, was zum Teufel tust du da?“
    „Ich mach was draus!“
    Er war bei der Bombe angekommen, als das Feuer die Markierung auf der Hälfte der Zündschnur erreicht hatte. Mit ausgestrecktem Arm hielt er die Flamme seines Feuerzeugs wenige Zentimeter vor dem Deckel der Dose an die Schnur.
    Die Flamme ging sofort aus, als sie von einem dicken Regentropfen getroffen wurde.
    „Mach schon“,

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