Der Ritter von Rosecliff
vor.
»Nein!« Rhonwen schüttelte heftig den Kopf. »Wir zwei allein? Das ist genau das, was Josselyn möchte! Aber wir wissen beide, dass es höchst unklug wäre. Ich brauche keine Begleitung.«
Seine Augen kehrten zu ihr zurück, und er sagte leise: »Doch, du brauchst eine Begleitung! Was glaubst du, warum Josselyn dich heute in ihrem Zimmer übernachten lässt? Mit Gavins Bauchweh hat es jedenfalls nichts zu tun.«
»Du meinst wohl Lamonthes Kuriere?« Rhonwen winkte verächtlich ab. »Welches Interesse sollten sie an einer Waliserin haben, die gegen ihren Willen in Rosecliffe festgehalten wird?«,
»Welches wohl?« Jasper musterte sie eingehend von Kopf bis Fuß, um ihr auf die Sprünge zu helfen. War er vielleicht eifersüchtig? Fast hatte es diesen Anschein. Sie lächelte keck. »Ich bin durchaus in der Lage zu entscheiden, wessen Interesse ich wünsche und wessen nicht.« Stolz auf die eigene Selbstbeherrschung und Schlagfertigkeit schritt sie hoheitsvoll in Richtung der Tür.
Ein Knappe betrat die Halle, als sie gerade hinausgehen wollte, und hielt ihr galant die Tür auf. Ein kleiner Teufel schien in Rhonwen gefahren zu sein, denn sie hörte sich sagen: »Wärst du vielleicht so freundlich, mich zur Küche zu begleiten?«
Ein erfreutes Lächeln huschte über sein Gesicht doch dann schaute er fragend zu Jasper hinüber. Es ärgerte sie maßlos, dass der Knappe um Erlaubnis bitten musste, aber gleich darauf nickte der junge. »ja, es wird mir ein Vergnügen sein, Euch zu begleiten.«
Es dauerte nicht lange, die getrocknete Kamille zu holen, und als sie in die Halle zurückkehrten, eilte der Knappe zu Jasper, während Rhonwen aus dem Kessel am Kamin heißes Wasser für den Tee schöpfte. Sie spürte, dass Jasper sie beobachtete, aber glücklicherweise versuchte er nicht sich ihr zu nähern. Auch Lamonthes Kuriere saßen immer noch herum und tranken Bier. Erst jetzt schaute sie sich die Männer an, und unwillkürlich lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken.
Es gab solche und solche Engländer, ebenso wie es solche und solche Waliser gab. Manche waren anständig, andere hingegen wären besser nie geboren worden. Sie wusste instinktiv, dass der ältere Kurier zur zweiten Kategorie gehörte. Hoch erhobenen Hauptes ging sie an den Männern vorbei zur Treppe.
»Hallo, Misst Miss«, rief der Ältere ihr nach.
Sie blieb auf der ersten Stufe stehen. »Ja?«
Er stand auf und näherte sich ihr »Euer Freund Rhys lässt Euch herzlich grüßen«, sagte er leise, in einem anzüglichen Ton.
»Was?«
Rhonwen sah, dass Jasper aufgesprungen war. Für seine Ohren war Rhys' Botschaft mit Sicherheit nicht bestimmt und deshalb rang sie sich ein Lächeln für den stämmigen Kurier ab, so als führten sie eine harmlose Unterhaltung. »Was soll das heißen?«
»Ihr werdet bald befreit werden. Sorgt dafür, dass bei Neumond das hintere Tor nicht verschlossen ist.«
Rhonwen konnte kaum glauben, was sie hörte. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie, dass Jasper mit grimmiger Miene näher kam. »Ihr schmeichelt mir, Sir«, sagte sie laut. »Aber leider habe ich keine Zeit um mit Euch zu plaudern. Lady Josselyn braucht mich dringend. Gute Nacht!«
Sie rannte die Treppe, hinauf, weg von dem grinsenden Ochsen, weg von dem misstrauischen Jasper. Vor den Männern konnte sie fliehen, nicht aber vor dem schrecklichen Dilemma, in dem sie seit wenigen Minuten steckte.
Rhys wollte sie befreien, und Simon Lamonthe wollte ihm offenbar dabei helfen.
Und ihr selbst war eine entscheidende Rolle zugedacht damit der Plan gelingen konnte. Sie sollte Rhys und seine Rebellen - und seine englischen Verbündeten - ins Herz von Rosecliffe Castle einlassen!
Vor Josselyns Zimmer blieb sie atemlos stehen und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Wie war es möglich, dass Rhys sich mit einem englischen Lord - und ausgerechnet mit Simon Lamonthe - verbündet hatte?
Vielleicht stimmte das gar nicht. Vielleicht handelte es sich um eine arglistige Täuschung, vielleicht wollte Lamonthe die Festung ohne Rhys' Mithilfe einnehmen, und man wollte ihr nur weismachen, dass ihr Freund sie befreien wollte, damit sie das Tor öffnete.
Sie lehnte sich an die kalte Steinmauer und starrte zur hohen Balkendecke empor. Allmächtiger, was sollte sie nur tut? Wie konnte sie die Wahrheit herausfinden?
Und selbst wenn es eine echte Botschaft von Rhys war - durfte sie ihren Landsleuten das Tor öffnen? Die Engländer würden sich natürlich nicht kampflos
Weitere Kostenlose Bücher