Der rollende Galgen
halten einen Vergleich mit Spürhunden aus. Zu dieser Sorte gehörte auch der Reporter William Penn. Wenn Penn etwas entdeckt hatte und von einer Sache hundertprozentig überzeugt war, dann ließ er sich auch nicht von der einmal erkannten Spur abbringen. Er hattte sich an die Polizei gewandt, okay, das war seine Pflicht gewesen, doch niemand hatte ihm gesagt, daß er sich nicht hinter den Fall klemmen dürfe.
Was Penn auch tat, er ging einen Fall stets mit einer sehr großen Sorgfalt an.
Die Gegend um den Washington Square mußte für den Henker ungemein wichtig sein.
Über den Grund hatte Penn zwar nachgedacht, doch keine Lösung gefunden. Bis ihm die Idee kam, in alten Geschichtsbüchern nachzuschlagen. Wo er die finden konnte, wußte er genau. Zudem besaß er seine Beziehungen, die ihm auch die Türen gewisser Archive öffneten.
In der New Yorker Stadtgeschichte schaute er nach. Penn wurde fündig. Vor nicht ganz 200 Jahren hatten Weiße genau an der Stelle, wo sich der Washington Square befindet, mehrere Indianer aufgehängt und damit dem Volk eine furchtbare Schande angetan.
Indianer durften im Kampf fallen oder normal sterben. Dann gingen die Seelen in das Jenseitsreich ein. Wer jedoch auf so schändliche Art und Weise umgebracht wurde, der hatte keine Chance mehr im Jenseits. Dessen Seele irrte umher, ohne Ruhe finden zu können. So etwas war schlimm…
William Penn brauchte nicht mehr lange zu suchen, um das Motiv für die Toten zu finden. Er bekam noch heraus, daß die Toten dann weiter südlich verscharrt worden waren. Eine genaue Ortsangabe hatte er nicht finden können.
William Penn wohnte in der Szene und nicht weit vom Washington Square entfernt.
Das Gebiet, in dem er lebte, hieß Greenwich Village. Ein Künstlerviertel seit Jahren, wenn auch der alte Geist nicht mehr vorhanden war, weil reiche Neubürger hier Häuser gekauft und teure Wohnungen errichtet hatten.
Dennoch, es gab zahlreiche Kneipen, Bars und gemütliche Lokale. William Penn lebte in einer Dachwohnung mit Fenster zum Hof. Keine triste Aussicht; denn die Fassaden waren von den Künstlern und Hobbymalern farbig gestrichen worden. Eine wunderschöne, kleine Welt, in der man leben konnte.
Auch die alten Feuerleitern störten nicht. Ihr Metall hatte ebenfalls Farbe abbekommen.
Es war noch verdammt heiß. Hinzu kam die Schwüle, so daß kein Wind durch die Straßenschluchten blasen konnte. New York erstickte unter der bleiernen Luft.
Die Menschen reagierten anders. Sie waren dann ungemein aggressiv, besonders schlimm war es in den Slums, wo die Emotionen hochschäumten wie eine seelische Springflut.
Er bewohnte ein Zimmer, das er geteilt hatte. Auf der einen Seite war es der Arbeitsraum, auf der anderen die Wohnung. Zum Minibad führte eine schmale Tür. In dieser Naßzelle konnte sich ein erwachsener Mensch kaum drehen.
Bevor er abschloß, checkte er noch einmal seine Kamera durch. Ein sehr wichtiges Instrument, sie mußte hundertprozentig in Ordnung sein und auch unter diesen ungewöhnlich, feuchtwarmen Wetterbedingungen funktionieren.
Nach einer Viertelstunde hatte er alles überprüft und konnte zufrieden sein.
Wenn er in die Slums ging, um Fotos zu schießen, trug er die Kamera nicht so offen.
Zweimal schloß er die Tür ab. Bisher hatte sie einem Einbruchsversuch widerstanden. Der Flur war ein schmaler, dunkler Schlauch. In dem ballte sich ebenfalls die feuchte Hitze, die eine große New Yorker Zeitung als tropisch bezeichnet hatte.
Geräusche erfüllten das Haus. Stimmen, Musik, Schreie, Lachen, vielleicht auch ein Weinen. Wer hier lebte, der paßte schlecht in eine Norm. Man ließ oft genau seinen Gefühlen freien Lauf. Unten brannte Licht, grünes und rotes. Zwei Performance-Künstler hatten die Lampen aufgehängt und darunter zwei Stühle gestellt. Das Licht erhellte auch den Flur.
Beide hockten dort und bewegten sich wie automatische Puppen. Zuschauer umstanden sie, manchmal wurde geklatscht. Penn sollte Fotos machen.
»Später. Tut mir leid, ich habe zu tun.« Selbst in seinem Bart klebten die Schweißperlen. Er streifte sie ab. Ein junges Mädchen drückte sich schlangengleich neben ihn.
Ihr Gesicht war mit grünlicher Schminke bedeckt, die Haare bildeten einen Wirrwarr aus kleinen Zöpfen. »Bleibst du nicht bei mir, Bill?«
»Nein, Süße.«
»Aber ich fühle mich so einsam.« Er gab ihr einen Klaps auf das hosenbestrumpfte Hinterteil. »Das gibt sich, Mädchen.«
»Wann kommst du wieder zurück?«
»In
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