Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
mehr viele Monatedauern. Sogar gegen die Siegfried-Linie kommen wir voran.
London Lord Moran 1882–1977
Der PM verbrachte den Tag mit einer Reihe von Besprechungen; zuerst mit dem Kaiser von Äthiopien, dann mit dem König von Ägypten und zum Schluß mit dem Präsidenten der Syrischen Republik.
Somerset Die Krankenschwester Maud Cole *1888
Freitag. – Ich las, daß man von Äthiopien ein beschämendes Dossier und eine Rechnung an Italien erwartet über die Schäden und Grausamkeiten, die während der italienischen Besetzung begangen worden sind. Es sieht so aus, als ob die Alliierten die Sache in die Hand nehmen müssen. Wie peinlich, wenn Tatsachen zum Vorschein kommen, die beweisen, daß Italien unfähig ist, zu den zivilisierten Nationen zu gehören.
Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes 1985 Kindersuchdienst UK – 05910 –
weiblich Familienname: unbekannt
Vorname: unbekannt
angenommenes Geburtsdatum: 1944 oder
Anfang 1945
Fundort: am 16.2.1945 in Tauroggen in einem Zugabteil
Bekleidung: in eine Windel und eine Decke gehüllt. Bei ihr lag der abgebildete Krug, Würfelzucker und Brot.
Personenbeschreibung: Graugrüne Augen, dunkelblondesHaar, Muttermal an der linken Hüfte, am Nacken und auf der linken Wange.
Das Rundfunkprogramm
Reichsprogramm
20.15-22.00: Operette im Rundfunk »Der Göttergatte« von Léhar
Deutschlandsender
20.15-21.00: Bunte Folge schöner Melodien
21.00-22.00: Pfitzner Konzert der Wiener Philharmoniker. Leitung Hans Pfitzner, Karl Böhm
Aus dem Wehrmachtbericht
London liegt weiter unter unserem Vergeltungsfeuer
Fünfzig Jahre danach
Fünfzig Jahre nach der Bombardierung – eine
Stadt trauert
Dresden verweist stolz auf die Zeichen des
Aufschwungs
Parolen fehlen, aber an Versöhnungsappellen
mangelt es nicht
Von Klaus Wallbaum, zur Zeit Dresden
Stuttgarter Zeitung, 14.2.95
Die schwarzgekleidete Frau wird auf einmal richtig böse. »Das stimmt doch nicht, was im Fernsehen erzählt wird«, schimpft sie, »ich muß es wissen, ich war immerhin dabei.« Natürlich hätten britische TieffliegerJagd auf die vor dem Feuersturm flüchtenden Dresdener gemacht. Damals, vor fünfzig Jahren. Natürlich sei die Zahl der Opfer immens gewesen, so habe beispielsweise aus ihrer achtköpfigen Familie nur sie selbst überlebt. Und was die Medien zur Zeit trieben, wenn über neue Expertisen über die vermutlichen Schäden an Menschen und Gebäuden berichtet wird, sei doch »nichts als ein Zahlenpoker«, klagt die Frau und guckt mürrisch zu den Kameraleuten hinüber. Drei ältere Damen geben ihr ausdrücklich recht. Alle vier stehen in der Menschenmasse vor dem Gedenkstein auf dem Heidefriedhof und schauen zu, wie Politiker und Diplomaten ihre Kränze niederlegen. Doch das kurze Fluchen der Frau auf die Journalisten endet ebenso schnell wie manch andere zornige Meinungsäußerung in diesen Tagen. Die Feierlichkeiten bleiben überwiegend ruhig und besinnlich, manchmal jedoch machen die vielen Fotografen allerorten daraus fast schon ein Touristenereignis. Aber die Sachsen bleiben ihrem Ruf treu, sie sind Rummel gewöhnt und reagieren auf das übervolle Veranstaltungsprogramm meist gelassen. Dresden begeht den fünfzigsten Jahrestag der schrecklichen Bombardierung, bei der Zehntausende Menschen ums Leben gekommen sind. Wie seinerzeit kurz vor dem grauenvollen Angriff herrschen frühlingshafte Temperaturen, die Sonne strahlt, nur wenige Wolken bedecken den Himmel. Am Fastnachtsdienstag 1945, wenige Stunden vor dem Inferno, war die Stimmung gedrückt, erinnern sich Zeitzeugen – die Leute bereiteten sich innerlich auf die bevorstehende deutsche Niederlage vor, nichtsahnend, noch selbst das Ziel einer Vernichtungsaktionzu werden. Nur wenige hatten damals Lust auf den Fasnachtstrubel.
Fünfzig Jahre später sind viele Dresdener wieder in ihren Gefühlen hin- und hergerissen. Die Frau, die eben noch so schlecht auf die Journalisten zu sprechen war, ist im nächsten Moment richtig froh über die vielen TV-Teams auf dem Friedhof – »da wird endlich mal ausführlich über die Ereignisse informiert«, meint sie. Für andere gibt der Gedenktag einen Anlaß, alte Bekannte wiederzusehen. Viele fühlen sich am 13. Februar nach Dresden hingezogen. Zwei Frauen, die hier geboren sind, unterhalten sich – die eine ist am Morgen von Erfurt losgefahren und hat in der Aufregung den Schlüssel in ihrer Wohnungstür stekken lassen, die andere wohnt noch in der
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