Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
hatten wir gehalten, um kurz »durchzumeilern«. Rechts und links nur freies Feld. Jeder Jäger hätte uns paar Männeken schwer am Kragen gekriegt. Jedenfalls waren wir doch am Wald. Ein deutscher Jäger hat die Kerle dann vertrieben. Das waren drei Amerikaner. Die Verwundeten von dem angegriffenen Zug transportierten wir 2 Stunden später auf dem Bahnhof mit dem LKW weg. Acht Tote waren auch dabei, die bekamen wir aber nicht zu sehen. In dem Augenblick – glaub es mir! – wünschten wir uns nichts mehr, als daß einer der Schweinehunde bei uns runterkäme.
Stalag XX B Der britische Kriegsgefangene Samuel Charles Grace
Pause. Große Mengen an Kartoffeln hier. Unsere Köche müssen unsere Fleisch-Ration braten, wird alles rausgeschmissen, üble Sache gerade zu dieser Zeit.
STALAG 17 B, Krems/Österreich Der amerikanische Kriegsgefangene Ray T. Matheny *1925
Das 15. Geschwader der Air Force verstärkte seine Angriffe auf den Großraum Wien und schickte große Verbände von B-24- und B-17-Bombern, die unter dem Schutz von P-51-Jägern flogen. Sobald Jagdflieger der Luftwaffe einen Bomber oder Jäger abgeschossen hatten, kamen sie auf unser Lager heruntergestürzt, rissen ihre Maschinen kurz über unseren Baracken hoch und flogen ein paar Siegesrollen. Das war phantastisch anzusehen, doch wußten wir auch,daß fast jede dieser Kunstflug-Figuren den Tod von möglicherweise zehn amerikanischen Fliegern bedeutete. Eines Tages sahen wir während eines Angriffs drei B-24 in Flammen zu Boden stürzen. Kurz danach kamen eine Me- 109, eine FW- 190 und eine zweimotorige Me- 110 auf das Lager heruntergebraust und vollführten ihre Siegesrollen. Die Jäger kamen zurück, um das Flugmanöver zu wiederholen, und wir sahen voraus, daß sie noch weiter heruntergehen und wohl eher einen Tiefstflug mit viel Lärm veranstalten als ihre Maschinen neuerlich für einen Überschlag hochreißen würden. Mehrere von uns liefen auf die Lagerstraße hinaus und suchten sich Steine zum Werfen. Und in der Tat: die Me-1 10 kam mit etwa 650 Stundenkilometern kurz vorm Boden aus ihrem Sturzflug heraus und zog etwa hundert Meter über den Wachtturm nach oben. Die FW-190 kam über dieselbe Flugbahn herunter, nur etwas höher. Die Me- 110 kam aus ihrem Sturzflug heraus, schaffte es jedoch nicht so leicht wie die anderen, aus der Rollbewegung herauszukommen, und flog höchstens zwei oder drei Meter über den am Ende der Lagerstraße aufragenden Wachtturm hinweg. In diesem Augenblick warfen wir unsere Steine senkrecht in die Höhe. Ich sehe die Steinbrocken noch heute der Me- 110 entgegenfliegen; sie haben die Luftschrauben nur um Zentimeter verfehlt. Die Wachen waren außer sich über diesen Zwischenfall und wußten, daß wir es ums Haar geschafft hätten, eine Maschine zum Absturz zu bringen.
Am nächsten Tag verlas Struck beim Morgenappell die neuesten Verlautbarungen: »Den Gefangenen ist verboten, tieffliegende Flugzeuge mit Steinen zu bewerfen.« Das hatte schallendes Gelächter von den Kriegies zur Folge, und selbst Struck tat sich schwer, es vorzulesen.
Zittau Richard Meyer-Jungcurt *1911
In den letzten Tagen gab es mehrfach Fliegeralarm. Die Bevölkerung wurde durch ein mächtiges Gebrumme in der Luft beunruhigt.
Wir konnten in Erfahrung bringen, daß fürchterliche Bombenangriffe auf Dresden erfolgt sind und daß große Teile der Stadt vernichtet und ausgebrannt sein sollen. – Im Lazarett waren in den Abendstunden noch 25 Verwundete eingetroffen. Oberfeldarzt Dr. Keller und ich mußten daher gestern unseren Besuch im hiesigen Ratsweinkeller frühzeitig abbrechen. Die Stadt ist reich an gepflegten Wein- und Bierlokalen und netten Cafés. Nach fast dreijährigem Aufenthalt im Osten empfinden wir diesen »Reichtum« direkt als wohltuend.
Kirchhorst Ernst Jünger 1895–1998
Ein schöner Tag. Der hohe Haselstrauch vor meinem Arbeitszimmer hat sich über Nacht mit wolligen gelbgrünen Blütenschnüren ausgeschmückt. Fortgang der entsetzlichen Zerstörungen; außer Dresden wurde auch Wien schwer bombardiert. Man hat das Gefühl von Schlägen, die gegen einen Kadaver gerichtet sind. Das Maß des Schmerzes scheint noch nicht voll zu sein. Weiter im Garten und am Schreibtisch. Gedanke: Ob diese Tätigkeit nicht der jener Insekten gleicht, die man zuweilen am Wege trifft – man sieht den Kopf noch fressen und die Fühler regen, während der Leib schon abgetreten ist.
Das ist indessen nur die eine Seite des Vorgangs; die
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