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Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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und das Sonnenlicht hineinließ. Sämtliche Geräusche klangen hier in Lillians Ohren dumpf, als würden sie sich unter einer Glasglocke befinden. Ein wenig bedauerte sie, dass sie nicht zwischendurch haltmachen konnten, denn über ihnen in den Baumkronen turnten verschiedene exotische Vögel mit blauem und rotem Gefieder und leuchtend gelben Schnäbeln, die sie sich gern ein wenig genauer angesehen hätte, um sie für Adele zu zeichnen. Aber vielleicht würde sie im Dorf dazu Gelegenheit haben.
    Sie ritten, bis die Abendsonne rötliche Lichtflecke auf die Baumstämme und Farnwedel warf.
    »Wir sollten hier unser Nachtlager aufschlagen«, schlug Henare vor, als sie an einem von Bäumen gut geschützten Platz angekommen waren. »Das Dorf ist nicht weit von hier, doch wenn wir mitten in der Nacht dort ankommen, könnte das als unhöflich angesehen werden.«
    Also schlugen sie das Lager auf und setzten sich bei Einbruch der Dunkelheit um ein kleines Feuer, das Henare auf einem unbewachsenen Flecken entzündet hatte. Mr Caldwell erzählte ein paar Geschichten aus seiner Zeit in Neuseeland. Vor zehn Jahren war er hierhergekommen, um physikalische Gesetze am Beispiel der beiden Inseln zu untersuchen, und daraus hatte sich schnell eine große Liebe zu dem fremden Land ergeben – und zu einer Frau. Diese war die Tochter eines Handelspostenbesitzers, der rasch zu Reichtum gekommen war. Das hatte es Caldwell erlaubt, ein eigenes Labor zu eröffnen und seine Forschungsergebnisse zu veröffentlichen.
    »Eigentlich hatte ich bis dahin mit den Sternen nicht viel am Hut«, erklärte der Physiker, nachdem er einen Schluck Kaffee getrunken und Lillian zugenickt hatte. »Doch dann las ich die Veröffentlichungen Ihres Großvaters.«
    »Die in Deutschland kaum Beachtung gefunden haben«, setzte Georg seufzend hinzu.
    »Gut möglich, doch da Sie Ihre Erkenntnisse auch in Englisch herausgegeben haben, erreichten sie mich durch einen Freund. Ich war sehr angetan von Ihren Ergebnissen und beschloss, mein Augenmerk nun auch auf die Astronomie zu legen.«
    Den Rest der Geschichte war Lillian bekannt. Caldwell hatte per Brief Kontakt zu ihrem Großvater aufgenommen, ungefähr ein halbes Jahr bevor er sich entschloss, nach Neuseeland zu reisen und dort eine Sternwarte zu bauen. Natürlich hatte ihr Großvater da noch nicht absehen können, welch große Begeisterung sein zaghafter Vorschlag bei Caldwell auslösen würde. Hätte der Physiker anders reagiert und versucht, ihm seinen Einfall auszureden, wären sie vermutlich nicht hier, aber Caldwell war Feuer und Flamme gewesen und hatte ihm sogleich seine Hilfe angeboten.
    Während Caldwell weitersprach, richtete Lillian ihre Aufmerksamkeit auf Henare, der die Erzählung schweigend verfolgte. Offenbar schien ihm nicht danach zumute zu sein, etwas von sich zu erzählen. Ja, er wirkte geradezu, als hoffte er, dass dieser Kelch an ihm vorübergehen würde.
    Obwohl es Lillian reizte, nachzufragen, beschloss sie zu schweigen, denn sie wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen. Vielleicht erzählte er ihr irgendwann von allein, wie er zu Mr Caldwell gekommen war und was ihn als Maori daran reizte, die Wissenschaften der Weißen zu studieren.
    Nachdem Caldwell seinen Bericht beendet hatte, war Georg an der Reihe. Auch er wusste einiges zu erzählen, doch diese Geschichten kannte Lilian bereits. Ihre stille Hoffnung, er würde ein wenig mehr aus seiner Zeit in Neuseeland preisgeben, erfüllte sich nicht.
    Als das Feuer heruntergebrannt war, begaben sich schließlich alle zu ihren Schlafsäcken. Obwohl sie hundemüde war, konnte Lillian allerdings kein Auge zutun. Auf der Fahrt hierher, als sie auf freiem Feld übernachtet hatten, waren ihr die Geräusche schon fremd vorgekommen, doch was sie jetzt vernahm, übertraf das Gehörte um Längen. In allen Richtungen schien es zu rascheln und zu knistern. Leise Rufe tönten durch die Stille, dann wieder etwas, das sich wie das Zwitschern eines Nachtvogels anhörte. Mit dem Fortschreiten der Nacht schienen die Geräusche immer bizarrer zu werden, und Lillian, die stocksteif in ihrem Schlafsack lag, wunderte sich, dass die Männer das nicht bemerkten. Seelenruhig schnarchten sie vor sich hin, als könnte nicht jeden Moment ein Weta in ihre Schlafsäcke krabbeln.
    Schließlich siegte allerdings die Müdigkeit über ihre Wachsamkeit und ließ ihre Lider langsam herabsinken.

11
    Am nächsten Morgen wurde Lillian wach, als sie über sich den seltsamen Ruf eines

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