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Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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rangi ihn in das Reich der Seelen geleiten.«
    »Und danach?«
    »Danach wird es sicher Streit wegen der Nachfolge geben. Es gibt derzeit viele ehrgeizige Krieger in unserem Stamm. Sie alle haben sehr unterschiedliche Ziele. Einige treten den pakeha gegenüber gemäßigt auf, andere wollen Krieg. Ich fürchte, dass gerade einer von denen die Führung des Stammes übernehmen wird.«
    »Aber deine Stimme hat doch auch Gewicht«, wandte Georg ein.
    »Nicht mehr so viel wie früher. Die jungen Krieger hören schon jetzt nicht immer gern auf mich. Und meine Enkelin ist noch jung, sie wird die Krieger nicht aufhalten können. Schlimmstenfalls werden sie einen Krieg mit den pakeha vom Zaun brechen. Einen Krieg, den wir niemals gewinnen können. Einen Krieg, bei dem wir aber alles verlieren können, zu allererst den Vertrag von Waitangi. Wenn das passiert, werdet ihr, du und deine Enkelin, hier ebenso wenig sicher sein wie alle anderen Weißen. Und wenn es auf eurer Seite erst mal Tote gegeben hat, werden die pakeha zurückschlagen – mit schlimmeren Waffen als je zuvor. Dann werden sie unseren Stamm und vermutlich alle Maori ausrotten!«
    Schweigen folgte den Worten des Alten. Auf einmal hatte Georg das Gefühl, als würde ihn der Eishauch des Todes streifen. »Das solltest du deinen Leuten genauso sagen«, schlug er vor, während es ihm die Kehle zuschnürte bei dem Gedanken, dass dieses Land wieder in Blut und Chaos versinken könnte.
    »Das habe ich ihnen schon so viele Male gesagt. Doch du weißt, wie junge Männer sind. Sie fühlen sich stark und glauben, dass die Ratschläge der Alten auf Feigheit beruhen. Dass wir Alten, zu denen sie eines Tages mit etwas Glück auch gehören werden, uns lieber am Feuer den Rücken wärmen wollen. Und so beachten sie unseren Ratschlag nicht und schlagen sich lieber die Köpfe an einer Wand blutig.«
    Georg wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Krieg war eine grauenhafte Vorstellung.
    »Wenn der ariki stirbt«, begann er vorsichtig. »Werden dann die Vereinbarungen, die wir getroffen haben, noch Bestand haben?«
    »Wenn der neue Häuptling weise ist, bestimmt. Doch der einzige junge Krieger, dem ich so viel Verstand zutrauen würde, arbeitet jetzt für dich und schert sich nicht um seinen Vater und seinen Stamm.«
    »Du meinst, ich sollte auf Henare einwirken?«
    »Das wirst du nicht schaffen. Auch er ist ein junger Mann, vergiss das nicht. Er wird nicht auf dich hören; auf mich hat er auch nicht gehört.«
    Der Heiler seufzte, dann erhob er sich und stützte sich schwer auf seinen Stock. Auf einmal schien es, als sei die Last der Jahre noch drückender geworden.
    »Bleib gesund, alter Freund, und bleib am Leben, damit wir uns bald wiedersehen können.«
    »Dasselbe lege ich dir ans Herz, alter Freund«, entgegnete Georg und sah dem Heiler nach, als dieser das Zelt verließ.
    Wütend stapfte Lillian die Straße entlang. Sie brauchte Abstand und Ruhe. Was fiel diesem Kerl eigentlich ein? Wissenschaft ist nichts für Frauen! Sollte sie etwa den ganzen Tag neben dem Herd sitzen und Däumchen drehen? Sollte sie all ihre Notizbücher zugunsten von Kindern und Haus verschimmeln lassen?
    Ich hätte es wissen müssen, dass er so denkt. Er ist nicht besser als die anderen Männer, die glauben, dass die Frau lediglich ein Schmuckstück für sie ist, schnaubte sie vor sich hin.
    An ihrem Haus angekommen, schritt sie schnurstracks zum Stall, in dem die kleine Stute, die Mr Arana ihr mitgebracht hatte, mutterseelenallein stand. Den Entschluss, davonzureiten, fasste sie nicht nur, weil sie sich abreagieren wollte. Sie wollte Ravenfield auch keine Gelegenheit geben, bei ihr aufzukreuzen. Lieber verbringe ich Tage im Busch, als dass er mir in der nächsten Zeit über den Weg läuft, dachte sie wütend.
    »Was bildet sich dieser Schnösel ein?«, schimpfte sie, während sie die Stute sattelte. »Denkt er denn, ich bin wie alle anderen? Da haben Sie sich geschnitten, Mr Ravenfield. Vielleicht können Sie es ja mal bei Rosie versuchen!«
    Wie zur Bestätigung schüttelte die Stute mit dem Kopf und stieß ein leises Wiehern aus, als Lillian ihr das Halfter anlegte.
    »Du siehst das genauso, nicht wahr, meine Kleine?«
    Die Stute schnaufte, worauf Lillian ihr die Mähne tätschelte und sie dann am Zügel nach draußen führte.
    Mrs Peters kam zufällig am Gartenzaun vorbei.
    »Guten Tag, Mrs Peters!«, rief Lillian und winkte. Die Frau hielt verwundert inne.
    »Sind Sie schon wieder von Ihrer

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