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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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aufgespannt, aus gleichem Stoff die Gardinen, edle Mahagonimöbel – Stühle und Sofas mit schwarzen Bezügen.
    Ich erinnere mich an diese Raumflucht so deutlich, als wäre ich eben darin, denn ich sollte sie bis zum Tode Luises und auch darüber hinaus noch mehrmals zu Gesicht bekommen. Ganz im Kontrast zum schrecklich-schönen, aber überladenen Schloss herrschte dort schlichte Eleganz.
    Weiß lackierte Möbel, die mit blau broschiertem Atlas überzogen waren, bildeten die einzige Extravaganz im Eckzimmerzum Opernplatz hin und in den Privaträumen nach der Wallstraße. Wir kamen ins Arbeits- und Schreibkabinett, wo die Kronprinzessin in einem Buch gelesen hatte, das noch offen auf ihrem Mahagonischreibtisch lag. Es waren
Les Liaisons dangereuses
von Laclos ... Das Piano war aufgeschlagen, im Bücherschrank sah ich im Vorbeigehen nicht viel, nur ein Werk des jüngst verstorbenen Moritz:
Anton Reiser
.
    »Meine Liebe, wie bin ich froh, dass Sie gekommen sind!«
    Die Siebzehnjährige wirkte übernächtigt. Ihr Haar war lose und ungekämmt. Der Neu-Cöllner Parfumeur Fanfari hatte ihr einen höchst erfrischenden Duft gewidmet, den ich nun zum ersten Male roch: Er erinnerte an einen Frühlingsmorgen im Süden Frankreichs, an Bergnarzissen oder Orangenblüten kurz nach dem Regen. Mit dazu wenig passender, kalter Stimme sagte die Prinzessin zur Voss:
    »Bitte lassen Sie uns allein und sorgen Sie dafür, dass uns keiner stört! Den Tee werde ich selbst servieren.«
    Das Gesicht der Hofmeisterin verzog sich zur Fratze.
    »Wie Hoheit befehlen. Wenn Hoheit wünschen ...«
    »Danke, nein, wir wünschen nur, ungestört zu sein.«
    Die Aufseherin entfernte sich zögernd. Ich war mit dem großen Kind allein, das seiner
Madame Etikette
nun eine Schnute hinterherschickte.
    »Ich bin derlei Bevormundung und Maßregelung nicht gewohnt! Sie nimmt manchmal einen so anmaßenden Ton an ... Ich kann das überhaupt nicht leiden, und wenn sie es selbst bemerkt, wird sie so kriechend, dass ich sie am liebsten treten möchte. Es heißt, sie erwarte, dass ich sie nach dem wenig glorreichen Auftakt der vergangenen Tage recht piesaken werde, damit sie eine gütige Ausrede habe, um sich vom Hof zurückzuziehen! Da hat sie sich geschnitten! Ich werde ihr keine Kerbe bieten.«
    Die Kronprinzessin sprudelte heraus, während wir noch standen, ganz so, als sei ich die Erste, mit der sie seit Tagen richtig gesprochen.
    »Die kleine dumme Brühl, die meine arme Schwester zu ertragen hat, ist nicht besser, im Gegenteil. In welch einen Intrigenstall bin ich gekommen? Das Ding schläft unverfroren mit dem König und ist gar seine Spionin! Er weiß eher von unseren Plänen als unsere Männer. Wollen Sie Zucker? Es ist ganz wunderbarer Kandis, er kommt aus der Türkei!«
    Wir gingen in den angrenzenden Raum, und sie sagte verträumt, mit weit ausgebreiteten Armen:
    »Hier ist alles türkisch – ich liebe die Türken, sie haben so schöne Stoffe und Farben!«
    Das Kabinett hatte eine blau-weiß gestreifte Bespannung, die gelb-schwarz-rot gestreiften Atlas-Vorhänge waren mit schweren Troddeln und Federbüschen verziert. Weiß und grün lackierte Gestelle mit Überzügen aus dem Stoff der Wandbehänge gaben dem Ganzen etwas vom Inneren einer Jurte im Atlasgebirge.
    »Sie müssen mir raten! Ich bin völlig verzweifelt! Und ich habe in diesem schrecklichen Land keinen Menschen, den ich kennte, außer Sie!«
    Sie lachte dazu, was so absonderlich war, dass ich ebenfalls lachte. Kurz führte ich mir vor Augen, wobei mir das Blut siedendheiß aufwallte, dass ich im Teezimmer der Kronprinzessin stand! Es war kein Traum: Ich blickte in ihr Schlafzimmer, das von all den Räumen am reichsten ausgestattet war. Die Wände waren mit blau geblümtem Atlas tapeziert. Hinter zwei Säulen aus Gipsmarmor prangte das Bett. Mahagoni mit Bronzeverzierungen, schwere Gardinen vom Stoff der Wände verhüllten es, darüber erhob sich ein Baldachin mit vier Büschen Straußenfedern. Die Deckewar gemalt, von ihr herab hing eine transparente Marmorlampe. Daran stieß das Toilettezimmer in grüner Papiertapete mit bunter Bordüre. Der Spiegel hatte einen Rahmen aus Mahagoni, der Toilettentisch war mit besticktem weißen Mousselin bezogen, davor stand ein Tabourett mit vergoldetem Gestell, bezogen mit blauem Atlas.
    Die Natürlichkeit Luises verscheuchte alle Irritation, die eine andere vielleicht an dieser Stelle angewandelt hätte. Außerdem machten der Altersunterschied und das

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