Der rote Salon
einer Gastwirtschaft vor der Stadt wird erzählt.«
»Ich werde das Schlösschen vor dem Frankfurter Tor erwerben. Heute Abend bin ich nur aus Anhänglichkeit und Gefälligkeit hier! Vielleicht zum letzten Mal in diesem Haus ... Es ist wie eine Verneigung vor den Mauern, vor den Toten und den Geistern der alten Könige.«
Eine merkwürdige Formulierung für einen Diener, der angeblich nichts von der Negromantie seines Herrn mitbekommen hatte. Indes war er ja Zeuge meiner kleinen Befragung geworden und wusste, was Bonneheure über Anne de Pouquet und die Schule der Reinen gesagt hatte.
»Ist es nicht wahrhaft demokratisch, wenn sich ein König unters Volk mischt?«, fragte lachend ein junger Mann im weinroten Frack, der sich als Achim von Arnim vorstellte.
Jérôme – als halber Liberaler mit zwingender Seelennotwendigkeit auch halb eingefleischter Aristokrat – entgegnete:
»Seine Majestät beherzigt nur die allseits erprobte Regel, dass solche Gesellschaften für die vergnüglichsten gelten dürfen, bei denen wir den Minister neben dem Witzling, den Dichter zur Seite des Prinzen erblicken, und den geckenhaften Stutzer, als der ich mich selbst hier fühle, neben einer revolutionären Schönheit wie meiner Frau ...«
»Deren Garderobe den höchsten Beifall aller Jugend im Saale findet!«, sagte der Jüngling, sich herausfordernd umsehend, worauf die Amtsratsgattinnen X und Y, die mich bis dahin mit unduldsamer Ungrazie beäugt hatten, ihr Interesse auf den Kronleuchter richteten und zischend ein
Uuunmöglich!
hören ließen.
Während Arnim in seiner wortreichen Entgegnung nach Art der moderne Schule munter Politik und Ästhetik vermengte und partout in des Königs Herablassung mehr Bedeutung erkennen wollte, besah ich mir den korpulenten, kegelartigen Mann, von dem da die Rede war. Sanft, wie ein großer, abgerundeter Dreidel, kreiste der Monarch in der Verehrung, die ihm die Berliner aller Couleur bezeugten. Auch wenn ein paar Meter Distanz zwischen uns lagen, sah ich die allmählichen, aber untrüglichen Vorboten von Krankheit und Auflösung. Den Ammenmärchen der Astrologie war er verfallen und ein ernstmeinender, durchaus bekennender Verfechter der Geisterwelt, vom Wiedererscheinen auf dieser Erde, vom Heimgesuchtwerden der Lebenden durch die Toten. Das hatte mir die Karsch erzählt, bei der er früher oft zu Gast gewesen. Jeden forschenden Beobachter menschlicher Widersprüche und Schwächen musste es in Erstaunen setzen, zu sehen, dass ein Staatslenker auf diesen Graten am Rande des gesunden Menschenverstandes wanderte und einen Glauben in sich aufnahm, der zur Gefahr für das klare Urteil in der Krise zu werden drohte.
Bonneheure driftete vorüber und sagte, mich aus meinen dunklen Gedanken reißend:
»Prinz Louis Ferdinand sucht einen neuen Adjutanten. Ich habe gute Aussichten!«
Das freute mich für ihn, denn die Trauer um die Geliebte würde ihn ohne Hoffnungsschimmer sicherlich zerbrechen lassen.Ich erblickte Bischoffwerder und Wöllner mit Arrat und Dampmartin. Und da stand Schadow, der Göttliche, mit seiner Ehefrau Anna, ein schalkisch dreinblickender dürrer Hecht mit Knollennase! Heim sprach angeregt mit Göttler und dem Schmiedemeister Jury, von dessen zwölf Töchtern nur Rieke anwesend war, die der Siegesgöttin für die neue Quadriga auf dem Brandenburger Tor Modell gestanden hatte.
Göttler sagte etwas, das sich auf das prächtige Instrument der Herzogin von Argenteuille bezog, welches im Zentrum neben dem Hammerklavier auf seine klangliche Erweckung wartete. Arnim fragte mich:
»Finden Sie nicht auch, Madame, dass man eine Harfe auf einen Schlitten packen, ein Gespensterlaken darüberwerfen und mit diesem Segelboot über den Lindencorso fahren sollte in dieser verrückten Nacht?«
Zwei andere Herren, Gläser mit Champagner in Händen, nickten grinsend.
»Das da sind Tieck und Wackenroder! Die beiden planen eine Reise zum Mond!«
»Luna scheint mir der rechte Ort für Sie alle zu sein!«, entgegnete ich, was das Trio nur erheiterte.
»Madame, wie schlagfertig! Wir dachten eher an eine Bilderfolge für Ihren Wunderprojektor!«
»Wo steht er?«, fragte ich. »Ich sehe ihn nicht!«
Sie deuteten zum Nebenraum, wohin ich mich nun begab. Im Vorübergehen sah ich eine Glasharmonika, ein wimmerndes Instrument aus rotierenden Glasglocken, ideal für Geistermusik. Ich hörte, wie Beatrice de Grève die Hofmeisterin Voss fragte:
»Glauben Sie an Geister?«
Die alte Dame schaute
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