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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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entgeistert auf das Bild des Gespenstes, welches eben aus unserer Laterna magica im kleinenRaum vor der Küche an die helle Wand geflogen war, dann wandte sie den Blick irritiert zur Decke. Diese Abendbelustigung ging sichtlich über ihren Verstand. Ein Tablett mit Champagnergläsern und kleinen salzigen Keksen schwebte vorüber, und ich griff nun doch gierig zu.
    Die Zauberlaterne ruhte strahlend auf einem hohen Postament, das normalerweise für eine Vase gedacht war. Ich stellte mich ans Fenster und sah in den Park hinaus, den die Feuerwerker mit Fackeln illuminiert hatten. Eine lange Reihe von Flammenschalen zog sich zur fernen Mauer hin. In abgezirkelten Abständen waberten Lohen auf. Dieser König war ein Zauberer, dachte ich, ein dicker, Geld verschwendender Magier ... Auch die Parkruine war förmlich über Nacht zu wilder Ansehnlichkeit aufgestachelt worden.
    In scheinbar trauter Harmonie bestaunten Kronprinzessin, Kronprinz und Louis Ferdinand, der Pianist des Abends, den Bildstreifen der Hochzeit, den Madame Tassaert entworfen hatte. Die Schwester von Schadows Lehrmeister stand neben den Hoheiten und freute sich, dass ihr Werk ankam.
    Jetzt sahen sie mich und winkten. Ich trat auf Antoine de Paul zu, der selbstgefällig vor dem gelangweilt wirkenden Zelter und zwei Sangesbrüdern aus der Singakademie dozierte, indem er auf ein Notenblatt tippte:
    »Seine Majestät haben besonders das treffliche Cis gelobt! Wir haben des Prinzen Komposition daher transponiert! So ist es viel stimmiger, nicht wahr, meine Liebe?«
    Er hatte den Kopf zu Beatrice de Grève hingedreht, die ihm zunickte, lächelte und in der Luft dirigierte, schon leicht geistesabwesend, wie ich es bei darstellenden Künstlern oft beobachtet habe, kurz bevor es ernst wird. Dies war die Aufforderung an die Gäste, die Plätze im Saal nebenan einzunehmen. Der Kronprinz nickte mir zu.
    »Haben treffliche Malerin ans Glas gesetzt! Dürfen reproduzieren – wünsche durchaus publike Verbreitung!«
    Kronprinzessin Luise, die ich insgeheim bei mir schon meine junge Freundin nannte, tauschte währenddessen einen galanten Blick mit Louis Ferdinand, der nicht mit der Wimper zuckte, als er de Pauls Invektive hörte.
    »Liebste Freundin! Sie sind doch nachher dabei?«, fragte sie und hob ihr Glas.
    Ich nickte.
    Sie schien nicht mehr zu wissen, was wir beredet hatten, zuckte die Achseln und piepste:
    »Wie aufregend!«
    »Ja – haben Sie Gelegenheit gehabt, in der Sache ... Malmaison? Sie erinnern sich?«
    »Die Franzosen können einfach am besten komponieren!«, sagte sie diplomatisch, de Paul anstrahlend, und, schon im Abgehen an der Seite ihres Mannes, flüsterte sie verschwörerisch:
    »Ja, Majestät ist informiert. Die Polizei ist gewarnt. Sie dürfen aufatmen!«
    Verdammt. Diesen Wink konnte ich gebrauchen. Ich atmete auf.
    Louis Ferdinand lächelte mich an, mit einer Grandezza, die mich schwindeln machte.
    »Wünschen Sie mir Glück, Marquise!«
    Woher kannte er mich? Hatte sie ihm von mir erzählt?
    »Bärbaum!«, sagte der Prinz, während er mich in den roten Salon geleitete. Aller Augen waren auf uns gerichtet, was nicht allein an meinem Turban, am Fuchs und der Chemise lag, sondern mindestens ebenso sehr an meinem Begleiter. »Mein lieber Bär, mein Hofmeister, Georg Bärbaum! Ihr werter Herr Urgroßvater und er waren befreundet! Ich weiß noch genau, dass Sie am Tisch bei ihnen saßen, in denZelten im Tiergarten! Ich war noch ein kleiner Junge und habe von Ihrem roten Haar geträumt! Und nun werde ich von Ihrem Turban träumen!«
    Ich hatte keine Zeit, mich groß zu verwundern und zu erinnern. Er ging zum Piano, und ich schlug mich, die Röte unterdrückend, zu Jérôme durch, der im äußersten Stuhlkreise um die Harfe und den Hammerflügel saß. Das war gut, denn so nahm ich mit meinem Kopfputz keinem die Sicht.
    »Ein alter Freund?«, fragte er, durchaus so, dass es die Umsitzenden hören konnten.
    »Ich war eben auch mal jung, mein Lieber!«, antwortete ich spitz. »Aber hab keine Angst! Das würde mir gerade noch fehlen, mein Schatz, dass du dich mit dem Prinzen von Preußen duelliertest.«
    Er lachte, wirklich erleichtert, glaube ich, und wir lauschten Beatrice de Grèves warmer Stimme, die nun ertönte:
    »Majestät erweisen meinem bescheidenen Haus unendliche Ehre! Durch Ew. Majestät Gnaden wurde aus einem im Sinken begriffenen Kahn ein stolzes, prächtiges Lustschiff! Ich spiele für Ew. Majestät und für die anwesenden Hoheiten des

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