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Der rote Tod

Der rote Tod

Titel: Der rote Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
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Die mir all die Dinge sagte, die ich vergessen musste.
    Ich schüttelte die Erinnerung ab, gleich Regen, der über mein Gesicht strömt. Genauso hartnäckig floss sie weiter.
    Regen. Ja, das stimmte.
    Es hatte geregnet. Kalt. Eisig. Tony Warburton war in die Nacht hinausgeschritten. Und als ich ihn wieder sah, war er betrunken und reumütig. Aber er war nicht wirklich betrunken. Er hatte mich zu Nora mitgeschleppt, und als sie hereinkam, hatte er ...
    Nein. Das war nur in einem bösen Traum passiert.
    Zum Teufel mit ihnen. Ich konnte die Stille und Dunkelheit nicht länger ertragen. Meine Stimme brüllte – Und kam über die Grenzen der Kiste nicht hinaus. Der stumpfe Widerhall sagte mir das.
    Beldon hatte auch um Hilfe gerufen. Er und ich waren ... Ich hatte nur den Finch-Jungen gesehen, wie er sein Gewehr erhob. Aber er konnte nicht – das konnte mir einfach nicht passiert sein. Ich wollte es nicht glauben, wagte es nicht zu glauben. Das zu tun, würde bedeuten, dass ich ... Sie hätten mir das nicht angetan.
    Ich war am Leben. Die Toten sind nicht auf diese Weise in der Erde gefangen; Gott würde sicherlich selbst den schlimmsten Sündern diese Qual ersparen. Ich konnte immer noch denken, mich bewegen, sprechen, sogar riechen. Der Geruch von vermodertem Stoff und frischem Holz und feuchter Erde machte mich krank.
    Erde. In der Erde. Gefangen in der Erde.
    Ich stemmte mich gegen den Deckel und rief um Hilfe. Das Dachte ich viele Male, um das Undenkbare noch ein wenig länger aufzuschieben.
    Sinnlos. Meine Arme fielen auf meine Brust, erschöpft, zitternd vor Schwäche.
    Nun wusste ich ohne Zweifel, ohne irgendwelche täuschenden Fantasien, genau, wo ich mich befand, und kein Schreien, kein Brüllen, kein Bitten, kein schluchzendes Gebet würden mich von hier befreien, aus meinem Grab.
    Nein. Nein. Neinneinneinneinneinnein.
    Mein zappelnder Körper kam plötzlich frei und rollte ein sanftes Gefalle hinab. Gesicht nach unten. Gesicht nach oben. Halt.
    Ich war ... auf der Erde. Oberirdisch. Bäume. Ihre Blätter flüsterten sich etwas zu. Was für ein süßer Gesang für meine verhungerten Ohren. Ich roch immer noch Erde, aber nicht mehr so unangenehm wie zuvor. Der Geruch wurde von anderen Gerüchen abgemildert, die der Wind herantrug. Klee, Gras, und ein Stinktier, bei Gott. Ich hätte niemals gedacht, dass ich diesen stechenden Geruch einmal begrüßen würde.
    Nun wieder in der Lage, meine Arme zu benutzen, riss ich schließlich das Leichentuch fort, das mich behinderte.
    Leichentuch. Ich setzte mich hin und zwang mich selbst, es anzusehen. Mein Leichentuch. Vergilbt durch sein Alter, denn es war seit meiner Geburt in der Dachstube aufbewahrt worden, wie es der Brauch war. Wir alle besaßen eins, Vater, Elizabeth, Mutter, alle Bediensteten, alle unsere Freundinnen und Freunde. Der Tod umgab uns ständig, angefangen mit einem Sommerfieber bis hin zu einem schlimmen Sturz von einem Pferd. Man bereitet sich auf den Tod vor, sobald man geboren ist. Man musste ihn akzeptieren, denn es gab keine andere Alternative.
    Nora, flüsterte mein Geist unsicher.
    Ich war ... auf einem Friedhof. Derjenige, an dem ich jeden Sonntag vorbeikam, um mir die Predigt anzuhören.
    Doch ich konnte nicht...
    Ich verdrängte die Unmöglichkeit. Sie kam immer wieder zurück.
    Ich verdrängte die sich entwickelnde Furcht. Sie hielt sich für den Moment zurück.
    Ein ungebetenes Bild erschien vor mir, wie ich am Rande der Böschung stand, wie ich ohne Besorgnis die Rauchwolke auf der anderen Seite des Weges bemerkte, da ich nicht wusste, was das bedeutete, wie ich fiel, die Schmerzen, das Blut...
    Ohne darüber nachzudenken, begann ich meine Weste aufzuknöpfen. Meine Finger bewegten sich von alleine, und mit sanfter Überraschung bemerkte ich, dass meine Kleidung geöffnet und meine Brust entblößt war. Die Wunde, die irgendein verborgener Teil meines Verstandes zu finden erwartet hatte, war da, direkt über meinem Herzen, aber geschlossen und fast verheilt. Die umgebende Haut war gequetscht und rot, aber nicht von einer Entzündung. Da war kein Schmerz. Nicht im Augenblick.
    Nora.
    Mir wurde sehr kalt. Nicht von der sanften Luft, die mich umwehte, sondern von der Erinnerung, die mir plötzlich grell im Gedächtnis stand: Wie sie zusammensackte, durchbohrt von meinem Stockdegen. Er hatte sie ins Herz getroffen. Das Blut bedeckte ihr Kleid. Warburton hatte gelacht und sich zu mir umgedreht. Mein Traum, mein Albtraum, war wahr. Nora hatte

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