Der Rote Wolf
das nicht aus.
Alle Muskeln ihres Körpers verkrampften sich, und sie hörte nichts mehr und konnte auch nicht mehr atmen.
Das ist nicht weiter schlimm, dachte sie. Ich empfinde es nur so. Ich werde nicht ersticken, im Gegenteil, ich hyperventiliere, das geht vorbei, ich muss einfach abwarten und mich beruhigen.
Der Fußboden kam näher und drückte gegen Schenkel und Ellbogen, sie starrte unter die Spülmaschine.
Er hat mich als Mensch abgefertigt, dachte sie, und diese Erkenntnis ließ
Geräusche und Farben zurückkehren. Schyman hat mich nicht nur als Reporterin niedergemacht, er hat mich auch persönlich gedemütigt. Das hat er noch nie getan. Der Wunsch, von allen akzeptiert zu werden, muss ihn ungeheuer unter Druck setzen. Ich werde nicht akzeptiert, und im Moment fühlt er sich nicht in der Lage, für mich zu kämpfen, denn der Preis wäre zu hoch.
Sie stand wieder auf und merkte, dass sie sich das Knie gestoßen hatte. Jahrelang hatte sie keine solchen Panikattacken mehr gehabt. Nach der Geburt der Kinder waren sie verschwunden gewesen, bis diese Mörderin sie als Geisel genommen hatte. Nun kamen sie in unregelmäßigen Abständen und verliefen genauso heftig und erschreckend wie früher.
Ich frage mich, ob ich irgendwelche Glückspillen brauche, dachte sie. Sie wusste, dass Anne Snapphane eine große Schachtel davon in ihrem Badezimmerschrank hatte.
Aber das sind doch nur Fantasien, dachte sie dann. Es sind nur meine Ängste, die mich schrecken. Es sind nur Hirngespinste. Wenn man sie ins Licht hält, verschwinden sie, wenn man sie nüchtern betrachtet, lösen sie sich in nichts auf.
Sie blieb stehen, stützte sich auf der Spülmaschine ab und fühlte, dass Puls und Atmung sich wieder normalisierten.
Sie wusste, dass sie Recht hatte. Es gab da eine Verbindung zwischen Ragnwald, der Kultusministerin, dem Anschlag auf F21 und den Morden an dem Jungen, dem Journalisten und dem Politiker.
Und es war ihr bewusst, dass sie der Angelegenheit unter gar keinen Umständen weiter nachgehen durfte.
Ich will kein Wort mehr von dieser Sache hören.
Ja, während der Arbeitszeit, dachte sie. Aber dass ich ein paar Telefonate führe, während ich zu Hause und krankgeschrieben bin, zählt ja wohl nicht.
Daraufhin ging sie ins Schlafzimmer, zog sich an, kehrte in die Küche zurück und setzte Kaffee auf, ohne das Chaos zu beseitigen, das Thomas und die Kinder hinterlassen hatten. Das dreckige Geschirr schob sie einfach auf eine Ecke des Küchentischs und setzte sich mit Kaffeetasse, Collegeblock und einem Kugelschreiber des Gemeindetags an die andere.
Sie musste mehr über den Terroristen und die Ministerin erfahren, um die Zusammenhänge erkennen zu können. Sie hatten zwar einen Internet-Anschluss, aber nur über ein altes und träges Modem. Thomas hatte einen Breitbandanschluss gewollt, aber sie hatte ihn gebremst, da er ihr auch so schon oft genug vor dem Computer hing.
Überprüfe die Eintragungen beim Einwohnermeldeamt, schrieb sie, Herkunft und Eltern.
Fordere die öffentlich zugänglichen Schriftstücke der Ministerin an, fang mit der Post an und nimm dir dann Reisen, Repräsentationstermine, Steuererklärungen, Grundbücher etc. vor.
Lies mehr über die ETA und den Laestadianismus.
Sie betrachtete ihre kurze Liste.
Das würde für den heutigen Tag reichen.
Sie griff nach dem Telefon und wollte sich von der Auskunft mit der Kirchengemeinde in Sattajärvi verbinden lassen, musste jedoch feststellen, dass es eine solche nicht gab. Daraufhin fragte sie nach allen Kirchengemeinden im Vorwahlbereich von Pajala und bekam außer dem Hauptort noch die Nummern von Junesuando und Tärendö.
Sattajärvi gehörte zur Gemeinde Pajala.
Göran Nilsson wurde am 2. Oktober 1948 als einziges Kind von öivo und Elina Nilsson geboren. Die Mutter hatte sich am 18. Januar 1945 im Ort gemeldet, als Geburtsort war Kexholm verzeichet. Das Paar heiratete am 17. Mai 1946. Der Vater war 1977 gestorben, die Mutter 1989.
Sie notierte sich die Daten und bedankte sich. Kexholm?
Jetzt musste sie doch ins Internet gehen.
Käkisalmi, das auch Kexholm genannt wurde, lag an der Mündung des Wuoksen in den Ladogasee auf der Karelischen Landenge, gar nicht so weit von der alten schwedischen Stadt Viborg entfernt.
Mit anderen Worten, im heutigen Russland.
Sie fand eine Seite bei der Provinzialregierung in Lulea, die einen langen geschichtlichen Abriss dieser Region enthielt. Im Herbst 1944 wurde Kardien von der Sowjetunion
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