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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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die Sache so hoch geschaukelt hat, dass es nicht mehr geht.«
    Ihre Freude wollte nicht verschwinden und blieb in einem verklingenden Lobgesang erhalten: Er ist hergekommen! Er ist zu mir gekommen! Ich bin ihm wichtig.
    Anne sah, wie er sich mit all der lässigen Eleganz, die sie so liebte, an den Türrahmen lehnte. Er war ihr schöner Mann, nach dem sie sich nachts so sehr sehnte, dass sie von Orgasmen aufwachte. Sie schob den Bürostuhl zurück und stand langsam auf.
    »Das möchte ich auch«, sagte sie und streckte ihm ihre Hand entgegen.
    Er tat, als hätte er sie nicht gesehen, und starrte zu Boden.
    »Sylvia ist die ganze Woche krankgeschrieben gewesen«, sagte er leise und erregt.
    »Ich habe dich nicht verlassen«, sagte sie.
    Er hob in einer abwehrenden Geste seine Hände.
    »Wir müssen dieses Stadium endlich hinter uns lassen«, sagte er. »Niemand hat Schuld daran. Wir haben uns nur einfach nicht mehr verstanden, darauf können wir uns doch wenigstens einigen.«
    Der Trotz trieb Anne Tränen in die Augen, und sie holte viel zu laut Luft, ehe sie antwortete.
    »Also ich fand schon, dass wir uns noch verstanden haben«, sagte sie.
    »Aber ich nicht«, erwiderte er. »Also ging es auch nicht mehr. Wenn zwei Menschen zusammenleben wollen, müssen sie sich doch einig sein, oder nicht?«
    Sie schloss eine Weile die Augen, hob dann den Kopf und versuchte zu lächeln.
    »Du meinst, die Leibeigenschaft ist abgeschafft?«
    Er betrat den Raum.
    »Anne«, sagte er so flehentlich, dass ihr Lächeln gefror. »Wenn wir es jetzt nicht schaffen, normal miteinander zu reden, werden wir in alle Ewigkeit dafür bezahlen müssen, am meisten Miranda. So weit dürfen wir es nicht kommen lassen.«
    Sie presste die Fingerspitzen gegen die Tischplatte und sah auf ihre Schuhe hinab.
    Schlagartig erkannte sie, wie die Welt aus seinem Blickwinkel aussah, und begriff mit einem Mal, worum es ihm ging.
    Zum einen um Miranda, seine Tochter, und dann um seine neue Frau und sein neues Kind. Sie selbst war nicht in seinem Bewusstsein, die zärtlichen Gefühle für sie waren verbraucht, für ihn war sie jetzt nur noch ein notwendiges Übel, ein Mensch, mit dem man einmal ein Kind und ein Bett geteilt hat, ein Überbleibsel aus einem vergangenen Leben, mit dem man jetzt bis in alle Ewigkeit zurechtkommen musste.
    Das Selbstmitleid drohte sie fast zu ersticken.
    »Aber ich liebe dich doch«, sagte sie, ohne ihn anzusehen.
    Er ging zu ihr und schloss sie in seine Arme, und sie schlang die Arme um seine Taille, lehnte ihr Gesicht an seinen Hals und weinte.
    »Ich liebe dich doch so sehr«, flüsterte sie. Er wiegte sie sacht, streichelte ihr Haar und küsste sie auf die Stirn.
    »Ich weiß«, sagte er leise. »Mir ist klar, dass es wehtut, und das tut mir sehr Leid. Verzeih.«
    Anne Snapphane öffnete die Augen.
    »Es gibt keinen Grund, seine Gefühle hinter Stolz zu verstecken«, sagte er leise.
    »Kommst du darüber hinweg?« Sie wischte sich die Nase mit der Hand ab. »Ich weiß es nicht«, flüsterte sie.
    Als Annika nach Hause kam, hatte das Faxgerät fünf Blätter ausgespuckt. Sie ließ Mantel und Schal im Flur auf den Fußboden fallen. Sie musste ohnehin gleich die Kinder abholen.
    Dann sank sie auf den Stuhl neben dem Abstelltisch im Flur, auf dem sich die Rechnungen stapelten, blätterte schnell die Artikel durch und sah, dass die Archivarin der
Norrlands-Tidningen
sie in der chronologischen Reihenfolge ihres Erscheinens gefaxt hatte.
    Der erste Zeitungsausschnitt zeigte ihr, dass Karina Björnlund als Jugendliche eine viel versprechende Sportlerin gewesen war. Der Artikel war ein Bericht über die »NM«, womit vermutlich die Norrbotten-Meisterschaft oder aber auch die Norrlands-Meisterschaft gemeint war. Das Bild war grobkörnig, hatte aber scharfe Kontraste, und Annika musste die Augen zusammenkneifen, um das schlaksige junge Mädchen mit Pferdeschwanz und der Nummer 18 auf der Brust zu erkennen, das jubelnd und mit einem Blumenstrauß winkend in die Kamera blickte. Es sprach ein Glücksrausch aus der Aufnahme, der auch noch heute, fünfunddreißig Jahre später, greifbar wurde. Karina Björnlund war erfolgreich gewesen und hatte bei den Meisterschaften auf sämtlichen Sprintstrecken gewonnen. Man prophezeite ihr eine glänzende Zukunft.
    Aus irgendeinem Grund erschien es ihr nun noch unanständiger, dass sie sich eine Übersicht über den Posteingang der Ministerin verschafft hatte.
    Annika legte den Artikel zuunterst und

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