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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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blätterte weiter. Der zweite Ausschnitt war ein Artikel über den Hundeverein von Karlsvik, in dem darüber berichtet wurde, dass sich der Golden Retriever Bamse und sein Frauchen Karina Björnlund zusammen mit fünf anderen Hunden und deren Besitzern auf die am Wochenende in der Sporthalle stattfindende Hundeschau vorbereiteten. Das Bild war kleiner als das vorherige und die Schwärze gröber, sodass sie nur die weißen Zähne der Ministerin und die dunkle Zunge des Hundes erkannte.
    Der dritte Zeitungsausschnitt trug den Datumsstempel 6. Juni 1974 und bestand aus einem Gruppenbild der Examensklasse des Ausbildungszweigs Arztsekretärin an der Hochschule von Umeä, Karina Björnlund war die Dritte von links in der obersten Reihe. Annika betrachtete die homogene Menschenansammlung, ausschließlich Frauen, keine Ausländerinnen. Die meisten von ihnen trugen eine Pagenfrisur und einen Pony, der wie ein Flügel über eine Augenbraue geföhnt war.
    Der vierte Ausschnitt war der kleinste, es war eine Notiz aus dem Jahr 1978
    unter der Rubrik Namen & Neues, in welcher der Provinziallandtag von Norrbotten mitteilte, dass Karina Björnlund den Posten einer Sekretärin des Landtagsrats übernommen hatte.
    Der fünfte war ein Bericht von einer offenbar stürmisch verlaufenen öffentlichen Sitzung im Landtagsgebäude im Herbst 1980. Das Bild zeigte vier Männer, die mit großen Gesten und offenkundig lauten Stimmen über die Koordination des Gesundheitswesens in der Provinz Norrbotten diskutierten. Im Hintergrund stand eine Frau in einem geblümten Rock mit ausdruckslosem Blick und verschränkten Armen.
    Annika zog das Blatt näher heran und las die klein geschriebene Bildunterschrift:
    Landtagsrat Christer Lundgren verteidigte die Stellungnahme der Politik im Hinblick auf die Frage eines neuen Zentralkrankenhauses in Norrbotten anlässlich einer Diskussion mit der Arztegewerkschaft und der Aktionsgruppe »Erhaltet die Pflege«. Seine Sekretärin Karina Björnlund hört zu.
    Okay, dachte Annika und ließ die Blätter sinken. So ist sie also nach oben gekommen. Sie bekam eine Stelle bei Christer Lundgren, der später Außenhandelsminister wurde, hängte sich an ihn und fuhr mit dem Aufzug bis in die Regierungsetage hinauf.
    Sie schaute sich den Zeitungsausschnitt noch einmal an, sah, dass er auf Seite 22
    erschienen war, was in einer Lokalzeitung weit hinten bedeutete, las die Einleitung des Artikels, in der es um Formfragen bei der politischen Beschlussfindung ging, und überflog den Text, bis ihr Blick auf den Bildeinschlag in der rechten unteren Ecke fiel.
    Hans Blomberg, Landtagsreporter.
    Sie blinzelte und sah noch einmal hin.
    Tatsächlich, er war es wirklich, sie sah eine wesentlich jüngere und schlankere Version des Archivars der
Norrlands-Tidningen.
    Sie schnaubte und hatte auf einmal den Lebensweg des Archivars so klar vor Augen wie ihren Tisch im Flur. Gestalten wie ihn gab es bei jeder Zeitung, pflichtbewusste, jedoch einigermaßen fantasielose Reporter, die über
wichtige Dinge
berichteten wie die politische und gesellschaftliche Entwicklung, die langweilige Texte verfassten und dies mit dem Ernst ihres Auftrags begründeten und jeden verachteten, der mit journalistischem Engagement schrieb. Vermutlich war er eine Zeit lang Vorsitzender der örtlichen Gewerkschaftssektion gewesen und hatte sich in dieser Eigenschaft für all die hoffnungslosen Fälle eingesetzt, aber niemals für jemanden wie Annika, denn Menschen wie sie kamen immer durch. Und nun saß er im Archiv und zählte die Tage, bis seine Qual endlich ein Ende hatte.
    Der kleine Hans, dachte sie und sah auf die Uhr. Es wurde Zeit, die Zwerge zu holen.
    Ellen rannte mit weit ausgebreiteten Armen und Tiger, der in ihrer linken Hand baumelte, auf sie zu. Die Freude, die Annika angesichts dieses Anblicks empfand, erfüllte sie mit so viel Wärme, dass sie ganz weich wurde.
    Sie fing das Mädchen im Sprung auf, war immer wieder überrascht über das uneingeschränkte Vertrauen des Kindes und streichelte es zärtlich.
    »Ich habe eine Bonbonmaschine gebaut«, erklärte Ellen, machte sich los, griff nach Annikas Finger und zog sie in die Bastelecke.
    Mit Karton und Klebeband hatte sie einen Apparat gebastelt, bei dem an der einen Seite Bonbons hineingesteckt wurden, die anschließend über verschiedene Rinnen und Öffnungen in eine Schale auf der anderen Seite rutschten. Annika hatte noch einen alten Kaugummi in der Tasche, mit dem sie ausprobierten, ob die

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