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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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sie zerbrach, würde sie sterben.
    Es ist so kalt, dachte sie. Wie lange kann man in einer solchen Kälte überleben?
    Ihre Atmung beruhigte sich wieder.
    Für sie selbst bestand keine unmittelbare Gefahr. In ihrer Polarausrüstung würde sie, wenn nötig, die ganze Nacht überstehen. Die Ministerin trug einen Pelz, aber um die beiden Männer stand es schlechter. Yngve bekam mittlerweile schon schwere Lider, er würde keine Stunde mehr durchhalten. Der Terrorist war besser gekleidet, lag jedoch direkt auf dem Betonboden, der so kalt war wie ein Eisblock.
    Wir müssen hier weg. Und zwar sofort. Aber wie?
    Das Handy!
    Ihr entfuhr ein leiser, jubelnder Laut, und sie tastete in der Tasche nach dem Telefon und fischte es schließlich heraus. Kein Netz.
    Sie hielt es im Schein der Kerze hoch, versuchte es in verschiedenen Ecken des Hauses. Nicht ein Hauch von Empfang, typisch Tele 2.
    Sie wählte trotzdem mal den Notruf, aber es rührte sich nichts.
    Sie durfte jetzt nicht in Panik geraten. Musste nachdenken.
    Die Ministerin hatte doch auch ein Telefon. Annika hatte sie erst vor ein paar Stunden angerufen.
    »Ihre Nummer beginnt mit einer Sechs«, sagte sie zu Karina Björnlund. »Das bedeutet, Sie sind bei Telia. Schauen Sie nach, ob Sie ein Netz bekommen.«
    »Was?«
    »Ihr Telefon! Sie haben ein Handy dabei, ich habe Sie doch angerufen.« »Oh, ach so.«
    Vorsichtig suchte die Ministerin in ihrer schwarzen Ledertasche, holte das Telefon heraus, gab ihren PIN-Code ein und hielt es hoch.
    »Ich habe keinen Empfang«, sagte sie erstaunt.
    Annika legte die Hände vors Gesicht, spürte die schneidende Kälte auf der Haut.
    Keine Panik, dachte sie. Keine Panik. Ich habe schon die Polizei benachrichtigt, sie müsste jeden Moment hier sein.
    Sie betrachtete die Ministerin, die Frau hatte Blessuren und war mit den Nerven am Ende. Anschließend wandte sie sich dem Penner zu. Im flackernden Kerzenlicht sahen die Lippen des Mannes dunkelblau aus. Er schüttelte sich vor Kälte in seiner dünnen Jacke.
    »Okay«, sagte Annika und zwang ihr Gehirn, rational zu denken. »Wir sitzen, wo wir sitzen. Gibt es hier eine Decke? Eine Persenning oder Isoliermaterial?«
    »Wo ist Hasse hingegangen?«, sagte Yngve.
    »Hat er abgeschlossen?«, fragte Karina Björnlund.
    Zitternd ging Annika in dem verstaubten Häuschen umher, fand aber nichts als ein paar verrostete Bierdosen, Dreck und Mäuseskelette.
    »Er kann die Tür nicht abgeschlossen haben«, meinte die Kultusministerin und versuchte ihrerseits, sie zu öffnen. »Göran hat den Schlüssel.«
    »Ein Vorhängeschloss klickt man einfach wieder zu«, sagte Annika. »Wo sind wir hier eigentlich?«
    Sie tastete die Wände ab, sah, dass die Fenster von innen mit Brettern und groben Nägeln verriegelt waren, und erinnerte sich an die Eisenplatten an der Außenseite.
    »Das Haus steht seit vierzig Jahren leer«, antwortete Karina Björnlund. »Mein Vater war bei der Bahn, er hat mich als Kind des Öfteren hierher mitgenommen.«
    »Wozu diente es?«
    »Es ist ein Kompressorenhaus. Im Winter befreit man die Weichen mit Druckluft von Schnee und Eis. Als die Bahnlinie verlegt wurde, ist ein neues Haus gebaut worden. Wie sollen wir hier nur herauskommen?«
    »Gibt es irgendwo Werkzeug?«, fragte Annika.
    »Wir sitzen fest«, sagte Karina Björnlund, deren Augen inzwischen völlig zugeschwollen waren. »Oh, mein Gott, wie sollen wir hier nur wieder rauskommen?«
    Vergessenes Werkzeug würde sie hier nicht finden, erkannte Annika. Die Wände waren aus Stein, die Tür ließ sich nicht aufbrechen.
    »Wir müssen in Bewegung bleiben«, sagte sie. »Wir müssen uns gegenseitig wärmen.«
    Sie schluckte. Und wenn die Polizei doch nicht kam? Wenn Karlsson im Präsidium sie vergessen hatte? Sie schüttelte den Gedanken ab und ging zu dem übel riechenden Mann unter dem Mao-Plakat. Er atmete flach und röchelnd, Speichel floss aus seinem Mundwinkel.
    »Göran Nilsson«, sagte Annika, beugte sich zu ihm hinab und kämpfte gegen den Gestank an. »Hören Sie mich?«
    Sie rüttelte ihn an der Schulter. Der Mann blickte mit abwesenden Augen auf, seine Unterlippe zitterte vor Kälte.
    »J'ai tresfroid«,
flüsterte er.
    »Je comprends«,
sagte Annika leise und wandte sich an die Ministerin. »Karina, setzen Sie sich neben Göran, nehmen Sie ihn in den Arm und decken Sie ihn mit Ihrem Pelz zu.«
    Die Kultusministerin wich zurück, bis sie in einer Ecke hinter dem Kompressor stand.
    »Niemals«, sagte sie. »Nie im

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