Der Rote Wolf
natürlich eine Frage, die seit vielen Jahren diskutiert worden ist, aber wir schlagen beispielsweise auch einen neuen staatlichen Kinder- und Jugendzuschuss in Höhe von fünfundzwanzig Millionen Kronen vor, der für den Ankauf von Literatur für öffentliche Bibliotheken und Schulbüchereien bestimmt ist.«
»Ist sie nicht unglaublich bescheuert?«, sagte Annika und stellte wieder leise.
Anne hob die Augenbrauen, wirkte angenehm träge.
»Ich verstehe gar nicht, was du gegen sie hast«, sagte sie. »Der Stuss, den sie redet, macht die Existenz meines Senders überhaupt erst möglich.«
»Sie hätte niemals Ministerin werden dürfen«, erwiderte Annika. »Nach der Studio-6-Geschichte ist irgendetwas schief gelaufen. Sie war damals doch die Pressesprecherin des Außenhandelsministers Christer Lundgren. Erinnerst du dich?«
Anne runzelte die Stirn und dachte intensiv nach.
»Als Pressefrau machte sie damals auch keinen besonders guten Job, und dann wurde sie nach der Wahl auf einmal Kultusministerin.«
»Ach ja«, sagte Anne Snapphane, »Christer Lundgren, der Minister, von dem alle glaubten, er hätte die Stripperin ermordet.«
»Josefine Liljeberg, genau. Aber er war es nicht.«
Sie schwiegen wieder und sahen Karina Björnlund ohne Ton weitersprechen.
Annika ahnte, wie die Pressesprecherin damals an ihren Ministersessel gekommen war, und hegte den Verdacht, dass sie selbst, ohne es zu wollen, maßgeblich zu ihrer Ernennung beigetragen hatte.
»Kann ich ausschalten?«, fragte sie.
Anne zuckte mit den Schultern. Annika erwog einen Moment lang, aufzustehen und etwas anderes zu holen, irgendetwas zu essen oder zu trinken oder etwas anderes, das man einfach nur konsumieren konnte, bremste sich jedoch, hielt inne.
»Ich habe heute einige ziemlich heikle Informationen von einem Polizisten in Lulea bekommen«, sagte sie. »Es geht um einen Typen aus dem Tornedal, der vermutlich damals das Flugzeug auf F21 in die Luft gejagt hat und anschließend ein internationaler Terrorist geworden ist. Warum streut man eine solche Information dreißig Jahre später?«
Anne dachte über Annikas Worte nach.
»Kommt ein bisschen darauf an, was der Polizist gesagt hat«, antwortete sie. »Er ist vermutlich nicht dumm, also verfolgt er mit so einer gezielten Indiskretion ein bestimmtes Ziel. Was kann er wollen?«
Annika drehte ihr Wasserglas.
»Ich habe den ganzen Tag darüber nachgedacht«, sagte sie. »Ich glaube, dieser Terrorist ist zurück, und die Polizei möchte ihm zu verstehen geben, dass sie es weiß.«
Anne runzelte die Stirn, ihr Blick wurde klar, und sie wirkte wieder etwas nüchterner.
»Ist das nicht ein bisschen weit hergeholt?«, sagte sie. »Sie könnten doch auch jemanden in seinem Umfeld aufschrecken wollen. Seine alten Kumpel.
Politische Kräfte rechts und links vor weiß Gott was warnen. Die Motive der Polizei sind doch nicht zu durchschauen.«
Annika trank ein wenig Wasser, schluckte krampfhaft und stellte das Glas ab.
»Dieser Polizist meinte, er habe sich mit dem Presseoffizier des Fliegerhorsts abgesprochen, was bedeutet, dass man die Frage beim Militär diskutiert hat.
Also ist es etwas, das man schon eine ganze Weile plant. Aber warum gerade jetzt und warum gerade ich?«
»Die erste Frage kann ich dir auch nicht beantworten«, sagte Anne, »aber die Antwort auf die zweite liegt doch wohl auf der Hand. Wie viele bekannte Kriminalreporter bei großen Zeitungen gibt es denn in Schweden?«
Annika dachte einige Sekunden schweigend nach, auf der Straße fuhr ein Krankenwagen vorbei.
»Was wäre, wenn es etwas mit dem Mord an dem Journalisten zu tun hätte. Das passt einfach wunderbar zusammen«, sagte sie schließlich.
»Ist nicht undenkbar«, sagte Anne. »Wirst du die Informationen bringen?«
»Ich denke schon«, antwortete Annika, »obwohl das natürlich letzten Endes Schymans Entscheidung ist. Ich glaube, er hat mich allmählich ziemlich satt.«
»Vielleicht solltest du lieber ihn allmählich satt haben«, sagte Anne und nahm sich einen Biskuit.
Annikas Gesicht wurde verschlossen, sie zog die Knie zum Kinn hoch und legte die Arme um die Beine.
»Ich will nur meine Ruhe haben und arbeiten.«
Der junge Kellner stellte zwei Gin Tonic auf den Tisch, räumte Kaffeetassen und Cognacschwenker ab, tauschte eine fast heruntergebrannte Kerze gegen eine neue aus und leerte den Aschenbecher.
»Die Küche schließt um zehn, aber die Bar ist noch bis eins geöffnet, falls Sie noch etwas
Weitere Kostenlose Bücher