Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
Vom Netzwerk:
euch nicht bei der revolutionären Kundgebung einfindet, um euch der Kritik der Massen zu stellen, kommen ein paar Genossen und holen euch.‹«
    »Tolle Typen«, meinte Annika. »Und die waren Maoisten?«
    »Die richtigen Maoisten waren im Grunde gar kein Problem. Sie stellten sich immer nur die eine Frage: Was hätte der große Vorsitzende getan? Hätte er persönlich diese Handlungen im Namen der Revolution durchgeführt? Wenn die Antwort nein lautete, verzichtete man. Viel schlimmer waren die Mitläufer, die wegen des Kicks dabei waren, wegen der Massenpsychose und des Sekten-Feelings.«
    Sie sah auf die Uhr.
    »Ich muss gehen«, sagte sie. »Die Grünen haben für 13 Uhr eine Erklärung zu den Fangquoten in der Ostsee angekündigt.« Annika gähnte theatralisch.
    »Tja, meine Liebe«, sagte Berit, stand auf, sammelte die klebrigen Plastikformen ein und ging zum Mülleimer. »Schreib du nur über deine toten Journalisten. Ich beschäftige mich mit den wirklich wesentlichen Dingen, den ermordeten Dorschen …«
    Annika lachte, bis es um sie herum still und kalt wurde. Der fade Dunst erkalteter Lasagne stieg ihr in die Nase, und sie schob ihren Teller von sich.
    Dann wurde ihr bewusst, dass sie von Kollegen umgeben war. Manche unterhielten sich leise, aber die meisten saßen allein am Tisch und beugten sich mit dem Plastikbesteck in den Händen über Zeitungen. Hinter der Essensausgabe piepte irgendwo eine Mikrowelle, zwei Sportredakteure kauften acht Kuchenstücke.
    Langsam trank sie ihre Tasse aus, eine von vielen schwarzen Silhouetten, die sich von dem kalten Licht absetzten, eine der Arbeiterinnen in der Zeitungsfabrik.
    Eine Funktion, kein Individuum.
    Thomas fühlte sich immer etwas unwohl, wenn sie Besprechungen in den Räumen des Landtagsverbands hatten. Auch wenn er den Vorschlag, die Möglichkeit einer Fusion der beiden Verbände zu untersuchen, aus vollem Herzen befürwortete, fühlte er sich doch immer unterlegen, wenn sie sich in Sophia Grenborgs Revier trafen. Seine Unsicherheit wurde von so nebensächlichen Details ausgelöst wie der Tatsache, dass er die Räume nicht fand, in den falschen Aufzug stieg oder nicht wusste, wie das Personal hieß, das ihnen etwas brachte. Obwohl er das, wenn er ehrlich war, auch im Gemeindetag nicht wusste.
    Er holte tief Luft, öffnete die Tür zur Hornsgatan und spürte augenblicklich die schneidende Kälte an den Ohren. Im Laufe der Jahre waren sie ungemein empfindlich geworden, die endlosen Eishockeyturniere auf eiskalten Spielflächen im Freien hatten offenbar Spuren hinterlassen. Aber der Landtagsverband lag nun einmal direkt gegenüber, da wäre es wirklich zu albern gewesen, sich für die paar Meter eine Mütze aufzusetzen. Leicht gestresst suchte er in dem Labyrinth des fremden Gebäudes den Weg in den fünften Stock, wo ihm Sophia schon entgegenkam. Ihre glatten blonden Haare schwangen hin und her, die Jacke ihres Kostüms stand offen, die Absätze klapperten über das Parkett.
    »Herzlich willkommen«, sagte sie und gab ihm ihre kleine und weiche, warme und trockene Hand. »Die anderen sind schon da.«
    Er streifte seinen Mantel ab und machte sich sofort Sorgen, weil sie auf ihn hatten warten müssen.
    Sie trat einen Schritt näher, sodass er ihr Parfüm roch. Es war leicht, frisch und sportlich.
    »Du bist nicht zu spät«, flüsterte sie. »Sie trinken nur Kaffee im Konferenzraum.«
    Er atmete auf, lächelte und staunte über ihr Einfühlungsvermögen.
    »Gut«, flüsterte er zurück und sah ihr in die Augen. Sie waren leuchtend blau.
    »Wie geht es dir heute?«, flüsterte sie. »Ein bisschen verkatert?« Er lächelte breit.
    »Eins ist sicher«, sagte er leise. »Du bist jedenfalls nicht verkatert. Du siehst großartig aus.«
    Sie sah zu Boden, und er hätte schwören können, dass sie rot wurde. Wie ein Echo hörte er seine eigenen Worte, erfasste ihre Bedeutung und lief rot an.
    »Ich meine …«, sagte er und trat einen Schritt zurück.
    Sie blickte auf, trat einen Schritt vor und legte eine Hand auf das Revers seines Jacketts.
    »Ist schon okay, Thomas«, flüsterte sie so nahe, dass er ihren Atem spüren konnte.
    Für einen Moment sah er in ihre Pupillen, wandte sich dann ab, zog seinen Schal aus, legte die Aktentasche auf eine Bank, öffnete sie und verstaute den Schal. Er fragte sich, ob seine Ohren immer noch feuerrot waren.
    »Ich habe schon mal die Broschüren verteilt«, sagte sie. »Ich hoffe, das war in Ordnung.«
    Er hielt mitten in der

Weitere Kostenlose Bücher