Der Rubin im Rauch
„Pulver und Kugel sin
auch drin."
„Pulver und Kugel?" fragte Sally bestürzt. „Ich hab gedacht, es wär
was Moderneres..."
Sie gab Trembler das Geld und öffnete das Päckchen. Die kleine
Pistole war nicht mehr als fünfzehn Zentimeter lang, mit einem
dicken, kurzen Lauf und einem großen, gebogenen Hahn. Der Griff
war aus Eichenholz und paßte genau in ihre Hand; die Waffe lag gut
in der Hand und den Firmennamen -- Stocker of Yeovil -- erkannte sie
auch, und der staatliche Probestempel befand sich unter dem Lauf, wo
er hingehörte, aber um den Zündstift, an der Stelle, wo das
Zündhütchen explodierte, war sie stark versengt und abgenutzt. Ein
Päckchen Pulver, ein kleiner Beutel mit Bleikugeln und eine Schachtel
mit Zündhütchen vervollständigten das Arsenal.
„Gefällt's dir nicht?" fragte Trembler. „Ich werd immer mächtig
nervös, wenn ich was mit Waffen zu tun hab."
„Danke, Trembler", sagte sie. „Ich muß es ein paarmal
ausprobieren, aber es ist besser als nichts."
Sie spannte den Hahn, um die Feder zu testen, und schaute in die
enge Metallröhre hinein, wo der Flammenrückschlag des
Zündhütchens das Pulver entzündete. Die Waffe mußte dringend
gereinigt werden; sie war lange Zeit nicht in Gebrauch gewesen, und
der Lauf sah etwas zerbrechlich aus.
„Lieber du als ich", meinte er. „Ich muß jetzt das Studio
saubermachen, wir haben Aufnahmen heute morgen."
Das Studio war mit Samtvorhängen ausgestattet, vor denen die
Modelle unbehaglich in einem Roßhaarsessel posierten oder steif Arm
in Arm neben einer niederen Säule. Heute morgen war es eine junge
Frau, die ihrem Verlobten ein Bild schicken wollte, der im Baltikum
im Holzgeschäft war und nur zweimal im Jahr nach Hause kam. Dies
alles und noch mehr hatte Rosa erfahren, sie pflegte die Leute immer
stundenlang hinzuhalten. Die Kundin kam (mit ihrer Mutter als
Anstandsdame) gegen elf. Sally führte sie ins Studio, wo Frederick die
große Kamera aufbaute, und lieh sich etwas von seinem dünnflüssigen
Öl und ging in die Küche, um die Pistole zu säubern. Adelaide gesellte
sich zu Trembler in den Laden und ließ sie allein, aber sie merkte es
kaum. Der Geruch des Öls, das Metall unter ihren Fingern, die
Erregung, die sie empfand, als sie nach und nach all die Hindernisse
beseitigte, die die Mechanik nicht funktionieren ließen, dies alles
verursachte ein ruhiges, unpersönliches Glücksgefühl. Schließlich war
sie fertig, und sie legte die Waffe hin und säuberte sich die Hände.
Sie mußte sie ausprobieren. Sie atmete tief ein und langsam wieder
aus. Sie hatte Angst vor diesem zerfressenen Lauf. Der Mechanismus
war in Ordnung, der Abzug funktionierte, der Hahn kam genau an der
richtigen Stelle auf, nichts war verbogen oder kaputt. Aber wenn der
Lauf bei der Explosion zerbarst, würde sie ihren rechten Arm
verlieren. Sie stopfte etwas von dem schwarzen, körnigen Pulver in
den Lauf und stampfte es fest. Dann riß sie ein kleines Viereck blauen
Stoffs vom Saum des Kleides, das Rosa geändert hatte, und wickelte
es um eine der Bleikuge ln, damit diese gut in den Lauf paßte; sie
führte sie ein, so daß sie auf dem Pulver lag, und stopfte noch einen
Wattebausch hinein. Sie steckte die Watte fest hinein, nahm dann ein
Zündhütchen aus der Schachtel -- einen kleinen Kupferzylinder mit
geschlossener Spitze, der eine bestimmte Menge an Knallpulver
enthielt, eine chemische Verbindung, die explodierte, wenn sie vom
Hahn getroffen wurde. Sie zog den Hahn zurück, bis er zweimal
geklickt hatte, steckte das Zündhütchen über den Zündstift und hielt
dann den Hahn äußerst vorsichtig, während sie sachte den Abzug
betätigte. Der Hahn rastete dadurch in einer bestimmten Position ein.
Trembler und Adelaide waren im Laden, Frederick war im Studio,
Rosa im Theater, es war also niemand da, der sie ablenkte und
beobachtete. Sie ging in den Hof hinaus. Es gab da einen Schuppen
mit einer morschen Tür, die als Zielscheibe dienen konnte. Sie
vergewisserte sich, daß im Schuppen außer zerbrochenen
Blumentöpfen und leeren Säcken nichts war, maß dann zehn Schritte
von der Hütte ab und drehte sich um. Es war kalt im Hof, und sie war
leicht angezogen; die Vorstellung eines zersplitterten Arms, von Blut,
das aus zerfetztem Fleisch quoll, und Knochensplittern bedrängte sie
immer noch, aber die Hand, die sie erhob, um mit der Pistole zu
zielen, war vollkommen ruhig. Sie war zufrieden.
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