Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
werden die Gredows vertreiben und dein Volk retten, sobald sie dein Dorf erreicht haben, mein Freund.«
»Dem jungen Herrn wird es gefallen, wenn er einmal dort zu Besuch sein wird.« Urisk seufzte. »Ja, Urisks Herz sehnt sich nach dem Anblick der Bobith-Bäume!«
Die ersten Spähtrupps verließen den Heereszug, um abseits der Straßen und Wege das Umland nach Feinden abzusuchen. Einige Einheiten bewegten sich in südliche Richtung vorwärts, wo sich, wie Tenan wusste, ein großes Gebiet mit üppigem Ackerland befand, das von einigen Dörfern gesäumt wurde. Die Dan hofften, dort auf Getreidelager zu stoßen, mit deren Inhalt sie die Vorräte des Heeres aufstocken konnten. Schon jetzt gingen sie sparsam mit den Nahrungsmitteln um und verbrauchten so wenig wie möglich. Glaubte man den Prophezeiungen der Seher, stand ein langer strenger Winter bevor, der sich bereits immer häufiger in Form von eisigen Winden und sogar vereinzelten Schneefällen ankündigte. Manche vermuteten, Achest selbst sei für die Witterung verantwortlich. Lange würde der Winter jedenfalls nicht mehr auf sich warten lassen.
Die Pferde trabten mit hängenden Köpfen vorwärts, während die Kälte durch die Umhänge der Reiter drang. Urisk nieste und schüttelte sich, aber Tenan machte es nichts aus, ja, er spürte es gar nicht, so sehr war er in sorgenvolle Gedanken um sein Dorf vertieft. Seit er Gondun betreten hatte, wurde er nachts von grauenhaften Albträumen heimgesucht, und tagsüber zermürbten ihn angstvolle Schreckensvisionen, aus denen er sich immer wieder in die Wirklichkeit zurückholen musste.
Dualar, der bis jetzt hauptsächlich an der Spitze des Heereszugs geritten war und sich mit Amberon beraten hatte, ließ sein Pferd zurückfallen, bis er sich auf gleicher Höhe mit Tenan und seinen Gefährten befand. »Lord Amberon hat Männer ausgesandt, um die Umgebung nach versteckten Gredows zu durchsuchen«, erklärte er. »Es ist ungewöhnlich, dass wir bis jetzt auf keine von Achests Kriegern gestoßen sind.«
»Die Späher der Gredows haben uns sicher schon entdeckt«, meinte Tenan.
Dualar lächelte grimmig. »Sie sollen ruhig merken, mit wie vielen Kriegern sie es zu tun haben, das wird sie verunsichern. Sie wissen genau, dass Dan-Ritter gefährlichere Gegner sind als gewöhnliche Soldaten. Dennoch dürfen wir uns nicht nur auf die Größe und die Fähigkeiten unseres Heeres verlassen. Auch die Kriegslist ist wichtiger Bestandteil unseres Vorgehens und kann ausschlaggebend sein für den Sieg. Die Krieger Achests dürfen auf keinen Fall merken, dass wir den Standpunkt ihres Stützpunktes in der Bucht von Leremonth kennen und darauf zusteuern. Wir werden versuchen, sie in die Irre zu führen.«
»Welchen Plan verfolgt Lord Amberon?«, erkundigte sich Tenan.
»Wir werden zuerst in die Nähe der kleinen Stadt Eisgarth ziehen und dort unser Lager errichten – sie liegt weit genug von der Küste entfernt«, erläuterte Dualar. »Von dort aus werden wir uns in kleinen Einheiten unbemerkt nach Süden zur Bucht von Leremonth begeben.« Er lächelte zufrieden. »Bis die Gredows merken, dass wir sie umzingelt haben, sind auch die Truppenverbände aus den anderen Teilen der Insel zu uns gestoßen, und wir können losschlagen.«
Tenan wagte nicht, den Hauptmann darauf anzusprechen,aber noch mehr als die taktischen Einzelheiten beschäftigte ihn eine andere Frage: Würde Dualar ihn am Kampf teilnehmen lassen? Er war kein ausgebildeter Krieger, nicht einmal ein Novize des Ordens und musste noch viele Übungsstunden mit dem Schwert absolvieren, bis er bereit war, in die Schlacht zu ziehen, aber er hoffte trotzdem, bei der Befreiung Gonduns mithelfen zu können.
Immer wieder ertappte sich Tenan dabei, wie er in nördliche Richtung spähte, wo sich die Hügel und Wiesen der Ebene von Armara im Sonnenschein ausbreiteten. Ein Fußmarsch von knapp zwei Tagen würde ihn nach Esgalin bringen, zu Pferd könnte er die Strecke sogar in noch kürzerer Zeit bewältigen. Doch das Heer bewegte sich in andere Richtung vorwärts, und unmerklich vergrößerte sich die Entfernung zu seinem Heimatdorf.
»Das Land strahlt einen tiefen Zauber aus«, brach plötzlich Eilenna das Schweigen. »Alles sieht so ganz anders aus als auf den Kerr-Inseln, die hauptsächlich aus kargen Felsen bestehen. Ich kann mir vorstellen, dass ich hier leben könnte.«
Tenan erfüllten diese Worte mit Freude. Vielleicht hatte er dereinst die Gelegenheit, ihr die Schönheiten
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