Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
unauffällig aus dem Weg räumen wollte? Auf jeden Fall würde er darauf achten, dass ihn niemand unterwegs zu sehen bekam. Natürlich! Das war es. Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Er und die Soldaten waren auf dem direkten Weg nach Erindi geritten und dabei an mehreren bewohnten Farmen vorbeigekommen. Warum hatte er nicht vorher daran gedacht, dass die Greenwoods absichtlich einen Umweg gemacht haben konnten? Fritz kramte nach der Karte in seiner Satteltasche und breitete sie vor sich auf dem Rist seines Pferdes aus. Mit seinem Armstumpf klemmte er sie fest. Auf dem direkten Weg wären sie durch viel zu viel fremdes Farmgelände gekommen. Die Möglichkeit, entdeckt zu werden, war relativ groß gewesen. Wenn sie allerdings in östlicher Richtung einen kleinen Umweg geritten waren, hatten sie nur ein fremdes Farmland durchqueren müssen. Es war gut möglich, dass die Greenwoods genau diesen Weg gewählt hatten. Wenn er und die Schutztruppensoldaten ihnen nun entgegenritten, mussten sie über kurz oder lang auf die Greenwoods und Jella stoßen. Neuer Mut beflügelte Fritz. Genauso musste es sein. Er nahm die Zügel wieder auf und ritt zurück.
Leutnant Bausch ließ sich nur widerwillig von Fritz überzeugen und verkürzte unter dem Murren seiner Mannschaft die wohlverdiente Pause. Bereits nach einer Stunde ließ er wieder aufsitzen. Doch auch dieser Anhaltspunkt führte ins Leere. Sie suchten, bis die Dunkelheit sie zwang anzuhalten. Mit den ersten Sonnenstrahlen brachen sie wieder auf. Gegen Mittag des folgenden Tages stießen sie tatsächlich unter einer Baumgruppe auf menschliche Spuren. Einer der Soldaten fand die Reste von Schnüren unter einem der runden Felsen. Fritz’ trübe Gedanken heiterten sich etwas auf, als er den Fundplatz näher inspizierte. Er entdeckte die Spuren von Frauenstiefeln, die in den Busch führten.
»Sie muss entkommen sein!«, meinte er hoffnungsfroh. »Wir müssen ihren Spuren folgen!«
Leutnant Bausch zog skeptisch die Augenbrauen hoch und zeigte in die unendliche Weite der Kalahari.
»Wie sollen wir sie hier finden?« Seine Stimme klang müde. »Selbst wenn Fräulein von Sonthofen den Greenwoods entkommen sein sollte, so kann sie hier nicht allein überleben. Hier gibt es weit und breit kein Wasser. Sie würde innerhalb kürzester Zeit verdursten.« Mitfühlend legte er Fritz die Hand auf die Schulter. »Sie müssen sich mit den Tatsachen abfinden. Ich denke, wir sollten zurückreiten. Die Behörden in Otjiwarongo und Windhuk sind bereits telegrafisch informiert worden. Vielleicht gelingt es ihnen, die Greenwoods woanders zu verhaften.«
»Was interessieren mich diese Greenwoods?«, rief Fritz verzweifelt. »Ich muss wissen, was mit Fräulein von Sonthofen geschehen ist!«
Er sah Bausch entschlossen ins Gesicht.
»Reiten Sie nur zurück. Ich werde jede einzelne Spur verfolgen, bis ich weiß, was hier geschehen ist.«
Leutnant Bausch schob seinen breitkrempigen Schutztruppenhut aus der Stirn und wischte sich den Schweiß ab. Er schien hin
und her gerissen zu sein. Seiner Meinung nach war ihre Aufgabe fehlgeschlagen, auf der anderen Seite tat ihm Fritz van Houten leid. Dieses Fräulein schien ihm ziemlich nahe zu stehen. Und solange es eine winzige Hoffnung gab, war sein Auftrag so gesehen auch noch nicht zu Ende.
»In Ordnung«, stimmte er schließlich zögernd zu. »Wir suchen weiter. Immerhin haben wir ja nun endlich Spuren.«
Nochmals zwei volle Tage suchten sie nach Jella und den Greenwoods. Sie folgten jeder erdenklichen Spur und mussten immer wieder feststellen, dass sie ins Leere führte. Jellas Fußabdrücke endeten auf einem felsigen Untergrund. Daraufhin machten sie sich daran, den Pferdespuren, die wesentlich deutlicher waren, zu folgen. Offensichtlich hatten auch die Greenwoods Jella verfolgt. Doch was war dann geschehen? Am Morgen des dritten Tages musste Fritz notgedrungen einsehen, dass ihre Suche vergeblich gewesen war. Sämtliche Spuren hatten in die Irre geführt. Selbst wenn Jella die Flucht gelungen war, musste sie längst verdurstet sein. Kein Mensch konnte hier im Busch überleben! Mit hängenden Schultern und ausgezehrten, stoppeligen Wangen fügte er sich schließlich unter Leutnant Bauschs Befehl und brach die Suche ab.
Das unglaubliche Wiedersehen mit ihrem Vater hatte beide sehr aufgewühlt. Genau wie Johannes musste sich Jella erst damit abfinden, dass sie nun nicht mehr allein waren. Es war ein komisches Gefühl, plötzlich einen
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