Der Ruf der Steine
Indianer hatte er ihnen über Earthwatch auch dieses Buch zugeschickt. »Es ging um die Lady in Black, nicht wahr?«
»Ja, richtig«, erinnerte sich Sparky. Sie sprach so langsam, dass Peter überlegte, ob der Spitzname Sparky vielleicht ein Witz sein sollte. Aus der Nähe besehen, war sie überraschend hübsch – trotz Paradiesvogelhaaren und Nasenstecker. Sie hatte ein herzförmiges Gesichtchen mit großen staunenden Augen und einem süßen kleinen Mund. Und sie wirkte etwas versponnen, als ob sie ausschließlich mit Märchen groß geworden wäre.
»Gibt es hier wirklich einen Geist, Dad?«, fragte Andy entzückt.
»Nein, mein Junge, die Lady in Black gehört nach George’s Island, weiter im Süden. Wenn ich es richtig im Kopf habe, war sie die Braut eines Soldaten, der im Bürgerkrieg in Fort Warren gefangen saß. Sie hat sich zu ihm geschlichen und wollte ihn befreien, aber sie wurde entdeckt und fortgeschickt.«
»Und weißt du, was dann passiert ist?«, fragte Andy Connie, mit der er auf der Stelle Freundschaft geschlossen hatte. »Sie ist wiedergekommen und hat alle erschreckt. Das finde ich toll.«
Connie spielte die Entsetzte. »O je! Zum Glück spukt sie nicht hier bei uns.«
Andy nickte.
»Glaubst du an Geister?«, fragte Connie.
»Nein, aber ein bisschen fürchte ich mich trotzdem.«
Connie lachte herzlich. »Das ist die richtige Einstellung. Ich glaube, mir geht es genauso.«
Peter gefiel, wie sie mit Andy sprach, und die strahlende Begeisterung des Jungen gefiel ihm noch mehr. Er ging über den Steg zur Treppe voraus, und Connie und Andy folgten ihm. »Ich habe hier auch schon einen Geist gesehen«, sagte der Junge.
»Ach ja, und wo?«, erkundigte sich Connie.
»Im Wald, in der Nähe von Pulpit Point.« Er deutete vage den Strand entlang.
»Und woher weißt du, dass es ein Geist war?«
»Weil er mir Angst gemacht hat und ganz schnell verschwunden ist.«
»Was, denkst du, hat er im Wald gemacht?«
Andy zuckte die Schultern. »Vielleicht musste er Pipi. Jedenfalls hat mein Dad das gesagt. Ich glaube, dass er uns beobachtet hat.«
»U-hu. Hoffentlich begegnen wir ihm nicht.«
»Einmal hat meine Mom direkt neben meinem Bett gestanden. Aber das war nur ein Traum, denn sie ist tot.«
»Oh … aber ich finde es schön, dass du von ihr träumst.«
Connie stieg hinter Andy die Treppe hinauf, während Peter und die anderen folgten.
»Wenn ich mich richtig erinnere, hat Snow auch über diese Insel geschrieben und dabei eine indianische Hexenbraut erwähnt, die wegen Zauberei hingerichtet worden ist«, sagte Connie zu Peter.
»Hat das mit der Hexenjagd in Salem zu tun?«, fragte Sparky. »Die fand 1692 statt.«
»Ja, aber Genaueres stand da nicht. Das Buch enthält praktisch nur einen einzigen Absatz über diese Insel.«
»Das kommt daher, dass sich diese Insel seit Jahrhunderten in Privatbesitz befindet. Sie war niemals besiedelt und wurde auch nie kommerziell genutzt. Jedenfalls bis heute nicht.«
Connie blickte den Strand entlang und hatte Mühe, die Vorstellung von einer unberührten Insel mit den gewaltigen Baumaßnahmen in Einklang zu bringen. Draußen in der Bucht tuckerte ein blaues Fischerboot vorbei, das Peter bereits bei seiner Ankunft am Morgen bemerkt hatte.
»Eine Insel ohne Geschichte«, bemerkte Connie.
»Zumindest kennen wir sie nicht.«
»Snow verweist das Ereignis ins Reich der Fabel«, fuhr sie fort. »Er behauptet, dass zu keiner Zeit Indianer auf dieser Insel gelebt haben. Außerdem findet sich nirgendwo in den Archiven ein Hinweis darauf, dass eine Frau wegen heidnischer Gebräuche hingerichtet worden wäre.«
»Vielleicht gab es ja kein Gerichtsverfahren«, mutmaßte Sparky.
»Das ist nicht sehr wahrscheinlich«, sagte Peter. »Cotton Mather und seine Gefährten haben kein Geheimnis daraus gemacht, auf welche Weise sie die neue Welt in das Königreich Gottes verwandeln wollten. Dutzende von Menschen wurden wegen Hexerei verfolgt, und allein neunzehn wurden hingerichtet. Es war das Ereignis der damaligen Zeit. Zumindest in dieser Beziehung hat Snow Recht.«
»Eine höchst lebendige Vergangenheit«, meinte Connie.
»Kein Wunder, dass in solcher Zeit unzählige Geschichten und Legenden entstehen«, sagte Peter. »Vermutlich enthalten alle irgendwo einen historischen Kern.«
Sie erreichten das obere Ende der Treppe.
»Höchstwahrscheinlich hat jede Insel in dieser Bucht ihren eigenen Geist«, sagte Connie.
»Das ist gut möglich«, entgegnete
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