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Der Ruf der Steine

Der Ruf der Steine

Titel: Der Ruf der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Goshgarian
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Erdnussbutter-Sandwich den Strand entlang und suchte Einsiedlerkrabben.
    »Ein süßer kleiner Kerl«, sagte Connie.
    »Ja, ich glaube, ich werde ihn behalten«, erklärte Peter lächelnd.
    »Falls du deine Meinung ändern solltest, sag mir Bescheid.«
    Sie hatte sich bis auf einen lavendelfarbenen Badeanzug ausgezogen, und Peter sah zu, wie sie eine Tube Sunblocker aus der Tasche zog und die Flüssigkeit auf Armen und Beinen verteilte. Er hatte Mühe, an ihrer Attraktivität vorbeizuschauen und nicht zur Kenntnis zu nehmen, wie eng der Stoff ihre Haut umschloss, wie sehr er sich nach einer Frau sehnte und was er in den letzten Jahren alles vermisst hatte. Nach sieben Jahren Ehe und drei Jahren Trauerzeit wirkten solche Augenblicke einschüchternd – ja, er war aus der Übung und empfand sogar so etwas wie Schuldgefühle. Als ob er Linda betrog, wenn er sich mit Connie unterhielt.
    »Wann ist denn der große Tag?«, fragte er.
    Connie sah ihn unter ihrem Sonnenschild hervor fragend an. »Der große Tag?«
    »Dein Ring.«
    Sie hob die Hand, und das Sonnenlicht fing sich in dem Diamanten. »Vor zwei Wochen – allerdings glaube ich, dass wir nicht von derselben Sache reden. Ich wurde vor zwei Wochen geschieden.«
    »Dann trägst du den Ring aber an der falschen Hand.«
    Sie hob ihre rechte Hand hoch und zeigte ihm den etwas verdickten Ringfinger. »Ich habe ihn mir als Kind beim Skifahren gebrochen und kann keinen Ring mehr daran tragen.«
    Seit auch Connie Wunden hatte, schien sie ihm nicht mehr ganz so unnahbar. »Wie lange warst du verheiratet?«
    »Vier Jahre – exakt das statistische Mittel!« Um das Thema zu wechseln, sah sie sich nach Andy um. »Es ist sicher nicht leicht, ihn allein großzuziehen.«
    »Inzwischen ist es leichter.« Andy hatte eine tote Krabbe gefunden und drehte den Panzer um, um die Beinchen zu bewegen. Der Tod faszinierte ihn, ohne dass er sich etwas dabei dachte. Der Kleine kannte die näheren Umstände von Lindas Tod nicht. Er wusste nur, dass sie bei einem Autounfall gestorben war.
    Ein Unfall.
    »Kann er sich noch an seine Mutter erinnern?«
    »Nicht wirklich, denke ich. Er war damals erst drei.« Er sah ihn vor sich, wie er wie ein Pinguin durchs Haus watschelte und nach Linda rief. Verwirrung spiegelte sich in den großen Augen, und das kleine rosafarbene Mündchen stammelte unentwegt: Mama? Mama? Mama ist eingeschlafen. Eingeschlafen! Mein Gott, gab es eine grausamere Vokabel? Nach der Beerdigung hatte Andy tagelang nach ihr gefragt und geweint, als sie nicht kam. Dann wurde er wütend und rannte hysterisch heulend zu den Fenstern, um nach Lindas Auto Ausschau zu halten. Für Peter war es eine Zeit dunkelster Verzweiflung. Er musste das Kind ablenken und gleichzeitig gegen seinen Zusammenbruch ankämpfen. Irgendwie gelang es ihm, eine gewisse Balance zu halten, indem ein Kummer den anderen therapierte. Als die Wochen vergingen, gewöhnte Andy sich allmählich daran, dass Linda nicht mehr da war. Immer wieder war er tief betrübt, doch als Lindas Bild in seiner Kinderwelt mehr und mehr verblasste, legten sich diese Zustände allmählich.
    »Darf ich fragen, woran sie gestorben ist?«
    Er hörte eine Stimme in seinem Kopf: Ein Unfall.
    Aber eine rauchige Stimme widersprach: Er hat sie getötet.
    Peter zuckte zusammen, als sich plötzlich ein Knoten in seinem Kopf öffnete und ein Gedanke hervorschoss:
    E R HAT SIE GETÖTET . Ja, er ist schuld, weil er Daddy nicht gehorchen wollte und unter dieses verdammte Spülbecken kriechen musste, obwohl man es ihm oft genug verboten hat.
    Mit bewegungslosem Gesicht sah Andy aus der Entfernung seinen Vater an, als ob er seine Gedanken lesen könnte.
    Mein Gott, wie komme ich auf solche Gedanken? Das ist nicht wahr, mein Schatz! Es IST NICHT WAHR . Ich schwöre, dass ich das nicht denke. Ich doch nicht.
    Der Junge drehte Peter den Rücken zu und wanderte mit seinem toten Tier davon.
    Andy, nein! Daddy glaubt das wirklich nicht! Nein!
    »Ist alles in Ordnung, Peter?«, fragte Connie.
    »Ja …« Andy konnte seine Gedanken unmöglich gelesen haben. »Ich war nur ganz in Gedanken.«
    »Du siehst aus, als ob du einen Geist gesehen hättest.«
    »Ich glaube, die Sonne wird mir zu viel.« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und setzte die Kappe auf. Dabei wirbelten die Gedanken durch seinen Kopf.
    Andy drehte sich zu ihm um.
    Als wenn man einen Pickel aufgestochen hätte, was? Bis zum Durchbruch hat es Jahre gedauert. Ein psychischer

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