Der Ruf der Steine
Linda. Und er wusste, dass sie es ihm heimzahlen würde.
Aber der Vormittag verlief ohne Zwischenfälle. Jackie arbeitete mit dem Bagger an der zweiten Basis, während Peter mit der Schaufel assistierte. Wieder kamen Dutzende von Feldsteinen zum Vorschein. Aber diesmal spürte Peter weder etwas von der Magie des Ortes, noch rutschte der zweite Stein so bereitwillig in seine Position wie der erste ein paar Stunden zuvor. Hatte er sich die Ereignisse der Nacht etwa nur eingebildet? Nein, Unsinn. Durch das Pressen hatte sich seine rechte Schulter lila verfärbt und schmerzte höllisch. Alles war ganz genauso abgelaufen – aber dieses Geheimnis war sozusagen privat. Eine Privatsache zwischen Mann und Frau. Linda war hier gewesen, und er ging jede Wette ein, dass sie zurückkommen würde.
Sie gruben.
Im Gegensatz zu dem weichen Sand des Hügels war das gewachsene Erdreich hart und verdichtet. Obwohl Connie und Sparky ebenfalls halfen, dauerte es Stunden, bis die nächste Basis hergerichtet war. Dank der Ablenkung und Anstrengung hatte sich Peters Angst gegen Mittag fast völlig verflüchtigt. Falls Linda sich in der Nähe aufhielt, so merkte er jedenfalls nichts davon. Vielleicht verfügte sie ja nur nachts über diese Kräfte, oder wenn sie beide allein waren. Je weiter der Nachmittag voranschritt und je heißer es wurde, desto mehr fürchtete er sich allerdings vor etwas weit Schlimmerem als ihrem Zorn. Wenn sie ihn verließ, hing das Schicksal der Steine in der Luft. Sie ein zweites Mal zu verlieren war eine unerträgliche Vorstellung. Genauso unerträglich wie der Preis, den sie forderte.
Während sie gruben, lag Andy die meiste Zeit auf seinem Handtuch unter dem Sonnenschirm und döste vor sich hin. Das Spielzeug, die Bücher und sogar den Drachen beachtete er so gut wie gar nicht. Peter war beunruhigt. Einige Male ging er zu ihm hinüber, aber jedes Mal schlief der Junge, und so kehrte er wieder an die Arbeit zurück. Er überlegte ein paarmal, ob er ihn aufwecken und aufmuntern, ihn vielleicht mehr in ihre Arbeit einbeziehen oder ihn für ein Malbuch begeistern sollte. Aber dann verwarf er den Gedanken wieder. Ob er unbewusst alles mied, was Linda auf seinen Betrug aufmerksam machen könnte? Oder waren diese Überlegungen allein ihr Werk, um ihn langsam, aber sicher einzuwickeln und seine Besorgnis zu dämpfen?
Auf jeden Fall spürte Peter deutlich, dass die anderen sein Verhalten missbilligten und einander bedeutungsvolle Blicke zuwarfen. Ein paarmal ging Sparky zu Andy hinüber und unterhielt sich ein Weilchen mit ihm. Auch Connie bemühte sich um ihn, indem sie ihm ein zweites Frühstück brachte und während der Mittagspause eine Partie Schach mit ihm spielte. Obwohl Andy nicht sonderlich begeistert war, brachte sie ihn dazu, bis zum Ende durchzuhalten, und ließ ihn sogar gewinnen. Oberflächlich betrachtet waren es nur Nettigkeiten, aber er empfand dieses Benehmen als aufdringlich. Connie Lambert, die sich als Stiefmutter aufspielte. Dem musste er ein Ende machen. Schließlich war Linda Andys Mutter. Noch immer.
Als Andy ein Stück weit hinunter ging, um Pipi zu machen, kam Connie zu Peter. »Ich weiß, dass du ziemlich unter Druck stehst, Peter, aber du solltest dich wirklich mehr um deinen Sohn kümmern. Er fühlt sich missachtet.«
Ihre Direktheit verschlug ihm die Sprache. Sie hatte ja keine Ahnung, unter welchem Druck er stand! In ihren wildesten Träumen konnte sie sich das nicht vorstellen. Natürlich wusste sie um die Bedeutung dieser Ausgrabung für seine Karriere, aber das Ausmaß seiner inneren Not konnte sie nicht erfassen. Eine Not von biblischen Ausmaßen. Er kam sich vor wie Abraham, der sich zwischen Isaac und Gott entscheiden musste. Welcher Sterbliche konnte das schon nachempfinden?
Tief in seinem Inneren quoll etwas heißer Glibber aus einer winzigen Öffnung. »Was schlägst du vor, Connie? Sollen wir einfach einpacken und nach Hause fahren?«
»Natürlich nicht. Aber vielleicht machst du einfach einmal einen kleinen Spaziergang mit ihm oder etwas Ähnliches.«
Am liebsten hätte er gesagt, dass sie sich um ihre Angelegenheiten kümmern sollte. Sie war nicht seine Frau, und er brauchte keine Ratschläge, um sein Kind zu erziehen.
Sie präzisierte das Problem. »Er glaubt, dass du böse auf ihn bist.«
»Was genau hat er gesagt?«
»Dass du ihn hasst.«
»Dass ich ihn hasse?«
Er merkte, dass Jackie und Sparky zu ihnen herüberschauten. Mist! Auch sie waren gegen ihn. »Du
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